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Ein Gesicht so schön und kalt

Ein Gesicht so schön und kalt

Titel: Ein Gesicht so schön und kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Dienstag vormittag hatte Bundesstaatsanwalt
Royce die Verlängerung der Mittagspause um eine Stunde
erbeten und auch bewilligt bekommen. Bob vermutete schon,
was dieses Manöver zu bedeuten hatte. Martha Luce, eine
Zeugin für die Verteidigung und zudem eine ihrer besonders
glaubhaften Zeugen wegen ihrer schüchternen, ernsthaften Art,
wurde wohl unter Druck gesetzt.
Falls Haskell sich Kopien seiner Buchführung gemacht hatte,
konfrontierte man Ms. Luce jetzt vermutlich mit ihrer
eidesstattlichen Versicherung, Jimmys Abrechnungsbücher
seien korrekt.
Sollte Martha Luce im Austausch gegen Straffreiheit als
Belastungszeugin aussagen, dann war alles verloren.
Bob Kinellen saß schweigend da und ließ seine Augen zu
allem und jedem im Saal außer zu seinem Mandanten wandern.
Er fühlte sich schrecklich müde, als erdrücke ihn eine schwere
Last, und er überlegte, in welchem Augenblick genau er von
diesem Gefühl ergriffen worden war. Als er die letzten Tage
nochmals überdachte, wußte er es plötzlich: Es war der Moment,
als ich eine Drohung weitergab, die mein eigenes Kind betraf,
sagte er sich. Elf Jahre lang war es ihm gelungen, sich an den
Buchstaben des Gesetzes zu halten. Jimmy Weeks hatte das
Recht auf eine Verteidigung, und seine Aufgabe war es, Jimmy
vor einem Anklagebeschluß zu bewahren. Das tat er mit legalen
Mitteln. Falls andere Mittel eingesetzt wurden, wußte er es nicht
und wollte es auch nicht wissen.
In diesem Prozeß jedoch war er Teil einer Entwicklung
geworden, in der das Gesetz umgangen wurde. Weeks hatte ihm
gerade den Grund offenbart, weshalb er darauf bestanden hatte,
Mrs. Wagner in der Jury zu haben: Sie hatte einen Vater, der in
Kalifornien im Gefängnis saß. Dreißig Jahre zuvor hatte er eine
ganze Familie von Urlaubern im Yosemite National Park
ermordet. Bob wußte, daß er vorhatte, die Info rmation, daß die
Geschworene Wagner einen Vater im Gefängnis hatte,
zurückzuhalten und dann für einen Revisionsantrag zu
verwenden. Er wußte ebenfalls, daß das moralisch anfechtbar
war. Die Gratwanderung war jetzt vorbei. Er war bereits zu weit
gegangen. Die heiße Scham, die er verspürt hatte, als er Robins
entsetzten Aufschrei bei seinem Gerangel mit Kerry hörte, setzte
ihm noch immer zu. Wie hatte Kerry diesen Vorfall Robin nur
erklärt? Dein Vater hat eine Drohung seines Mandanten
weitergeleitet, die dich betraf? Der Mandant deines Vaters war
der Mann, der letzte Woche irgendeinem Penner befohlen hat,
dir Angst einzujagen?
Jimmy Weeks hatte einen Horror vor dem Gefängnis. Die
Vorstellung, eingesperrt zu sein, war ihm unerträglich. Er würde
alles tun, um dem zu entgehen.
Es war unübersehbar, daß Jimmy völlig außer sich war. Sie
aßen zusammen im Separee eines unweit vom Justizgebäude
gelegenen Restaurants zu Mittag. Nachdem der Ober die
Bestellung aufgenommen hatte, erklärte Jimmy unvermittelt:
»Ich will nichts von irgendeinem Kuhhandel hören, den ihr
beide mit dem Staatsanwalt machen wollt. Kapiert?«
Bartlett und Kinellen warteten ab, ohne zu reagieren.
»Was die Jury angeht, können wir uns, glaub ich, nicht drauf
verlassen, daß diese Flasche mit der kranken Frau bei der Stange
bleibt.«
Das hätte ich dir gleich sagen können, dachte Bob. Er wollte
nichts von diesen ganzen Dingen hören. Wenn sein Mandant
unzulässigen Einfluß auf diesen Geschworenen ausgeübt hatte,
so ohne sein Mitwissen, redete er sich ein. Und Haskell war das
Opfer eines Raubüberfalls, spottete eine innere Stimme.
»Bobby, von einer meiner Quellen weiß ich, daß der
Gerichtsbeamte, der auf die Geschworenen aufpaßt, dir einen
Gefallen schuldet«, sagte Weeks.
»Was meinst du damit, Jimmy?« Bob Kinellen spielte mit
seiner Salatgabel.
»Du weißt schon, was ich meine. Du hast seinen Jungen aus
‘ner bösen Situation rausgeholt, ‘ner sehr bösen. Er ist dir
dankbar.«
»Und?«
»Bobby, ich finde, der Gerichtsbeamte muß diese verklemmte
Wagner-Madame mit ihrem Zwetschgengesicht mal wissen
lassen, daß ihr Daddy, der Mörder, ganz groß in die Schlag
zeilen kommt, falls sie nicht irgendwelche erheblichen Zweifel
anmeldet, sobald dieser Fall vor die Geschworenen geht.«
Wer sich mit Hunden hinlegt, steht mit Flöhen auf. Das hatte
Kerry zu ihm gesagt, bevor Robin geboren wurde.
»Jimmy, wir haben bereits eine Begründung für eine
Revision, weil sie diesen Tatbestand nicht offenbart hat. Das ist
unser Trumpf im Ärmel. Wir brauchen es

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