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Ein Gesicht so schön und kalt

Ein Gesicht so schön und kalt

Titel: Ein Gesicht so schön und kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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ihn. Rat mal, warum. Sollte nicht mehr lange
dauern.«
In der folgenden Nacht kam der Traum wieder. Erneut stand
Kerry in der Arztpraxis. Eine junge Frau lag auf dem Boden,
eine Kordel um den Hals geknüpft, und ihr dunkles Haar
umrahmte ein Gesicht mit großen leeren Augen, der Mund stand
offen, als ringe sie nach Luft, ihre rosafarbene Zungenspitze
ragte heraus.
In ihrem Traum versuchte Kerry zu schreien, brachte aber nur
ein Stöhnen zustande. Einen Augenblick später schüttelte Robin
sie wach. »Mom! Mom, wach auf. Was ist denn los?«
Kerry schlug die Augen auf. »Was - ach du lieber Gott,
Robin, was für ein grauenhafter Alptraum. Danke dir.«
Doch nachdem Robin in ihr Zimmer zurückgekehrt war, lag
Kerry wach da und grübelte über den Traum nach. Was war nur
der Auslöser dazu? überlegte sie. Warum war er diesmal anders
als letztes Mal?
Dieses Mal waren Blumen über der Leiche der Frau verstreut
gewesen. Rosen. Sweetheart-Rosen.
Sie setzte sich plötzlich auf. Das war’s! Das war es, woran sie
sich zu erinnern versucht hatte! Die Frau heute in Dr. Smiths
Praxis und die andere vor ein paar Wochen, die beiden, die
einander so ähnlich gesehen hatten. Sie wußte jetzt, weshalb sie
ihr so bekannt vorkamen. Sie wußte, wem sie ähnlich sahen.
Suzanne Reardon, das Opfer in dem Sweetheart-Mordfall.
Fast elf Jahre war es inzwischen her, daß sie von ihrem Mann
ermordet worden war. Der Fall hatte großes Aufsehen in den
Medien erregt, ein Verbrechen aus Leidenschaft, dazu Rosen,
die über das schöne Opfer verstreut lagen.
Mein erster Arbeitstag bei der Staatsanwaltschaft war genau
der Tag, an dem das Geschworenengericht den Ehemann für
schuldig befunden hat, erinnerte sich Kerry. Die Zeitungen
konnten sich nicht genugtun mit Bildern von Suzanne. Ich habe
ganz bestimmt recht, sagte sie sich. Ich war damals bei der
Urteilsverkündung dabei. Sie hat mich so tief beeindruckt. Doch
weshalb in Gottes Namen sollten zwei von Dr. Smiths
Patientinnen einem Mordopfer zum Verwechseln ähnlich sehen?
Pamela Worth war ein Fehler gewesen. Dieser Gedanke hielt
Dr. Charles Smith praktisch die ganze Montagnacht hindurch
wach. Selbst die Schönheit ihres neugeformten Gesichts konnte
ihre plumpe Körperhaltung und ihre grobe, laute Stimme nicht
kompensieren. Ich hätte es von vornherein wissen müssen,
dachte er. Und wenn er ehrlich war, hatte er es auch gewußt.
Aber er hatte einfach nicht anders gekonnt. Ihr Knochenbau
machte sie zu einer lächerlich einfachen Kandidatin für solch
eine Verwandlung. Und zu fühlen, wie diese Verwandlung sich
unter seinen Händen vollzog, hatte es ihm ermöglicht, wieder
etwas von der freudigen Erregung zu empfinden, die er damals
beim allererstenmal empfunden hatte.
Was würde er nur tun, wenn es ihm unmöglich wurde,
weiterhin zu operieren? fragte er sich. Dieser Zeitpunkt kam
rasch näher. Das leichte Zittern seiner rechten Hand, das bisher
nur ein Ärgernis war, würde sich verstärken. Das Ärgernis
würde völliger Untauglichkeit weichen.
Er knipste das Licht an, nicht das neben seinem Bett, sondern
die Leuchte, die auf das Bild gegenüber von ihm an der Wand
gerichtet war. Er betrachtete es jede Nacht, bevor er einschlief.
Sie war so wunderschön. Jetzt dagegen, ohne seine Brille, kam
ihm die Frau auf dem Bild ganz verzerrt und entstellt vor, so wie
sie als Tote ausgesehen hatte.
»Suzanne«, murmelte er. Dann, als ihn der Schmerz der
Erinnerung überwältigte, warf er sich einen Arm vor die Augen,
um den Anblick auszublenden. Er konnte die Vorstellung
einfach nicht ertragen, wie sie damals ausgesehen hatte: ihrer
Schönheit beraubt, mit hervorquellenden Augen und einer
Zungenspitze, die über eine schlaffe Unterlippe und einen
hängenden Kiefer herausragte…

Dienstag, 24. Oktober

12
Das erste, was Kerry am Dienstag morgen nach Ankunft in
ihrem Büro tat, war Jonathan Hoover anzurufen.
    Wie immer war es tröstlich, seine Stimme zu hören. Sie kam
sofort zur Sache. »Jonathan, Robin war gestern zum Nachsehen
bei dem Arzt in New York, und es scheint alles in Ordnung zu
sein, aber ich würde mich mit einer zweiten Diagnose
wesentlich wohler fühlen, wenn noch ein anderer
Gesichtschirurg mit Dr. Smith derselben Meinung wäre, daß
keine Narben zurückbleiben. Kennst du einen, der gut ist?«
    In Jonathans Antwort schwang ein Lächeln mit. »Nicht aus
eigener Erfahrung.«
»Das hast du auch gewiß nie nötig gehabt.«
    »Danke,

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