Ein Gesicht so schön und kalt
das zu sprechen, was Dr. Smith trieb.
Palumbo sah, daß sie mit der Antwort zögerte. »Laß nur. Du
erzählst es mir schon, wenn’s soweit ist. Bis später dann.«
Kerry hatte vor, die Unterlagen mit nach Hause zu nehmen
und nach dem Abendessen mit der Lektüre zu beginnen. Aber
sie konnte es sich nicht verkneifen, den Ausschnitt, der obenauf
lag, herauszuziehen. Ich hatte recht, dachte sie. Es ist erst zwei
Jahre her.
Es war eine kleine Notiz von Seite 32 in The Record, die
festhielt, daß Skip Reardons fünfte Eingabe um Revision des
Falls vom Obersten Gericht von New Jersey abgelehnt worden
sei und daß sein Anwalt Geoffrey Dorso geschworen habe, er
werde schon Beweisgründe für einen weiteren Anlauf
auftreiben.
Dorso wurde mit den Worten zitiert: »Ich bleibe am Ball, bis
Skip Reardon aus diesem Gefängnis freikommt und vollauf
entlastet wird. Er ist unschuldig.«
Natürlich, dachte sie, alle Verteidiger sagen das.
Schon zum zweitenmal hintereinander aß Bob Kinellen mit
seinem Klienten Jimmy Weeks zusammen zu Abend. Der Tag
im Gericht war nicht gut verlaufen. Die Auswahl der
Geschworenen zog sich noch immer hin. Sie hatten bereits
achtmal ihr Einspruchsrecht geltend gemacht. Aber so sorgfältig
sie auch bei der Auswahl dieser Jur y waren, es war
offensichtlich, daß die Bundesanwaltschaft diesmal die Trümpfe
in der Hand hatte. Es war fast sicher, daß Haskell sich auf einen
Kuhhandel einlassen würde.
Beide Männer waren beim Essen düster gestimmt.
»Selbst wenn Haskell einknickt, kann ich ihn, glaub ich, auf
dem Zeugenstand fertigmachen«, versicherte Kinellen Jimmy.
»Du glaubst, daß du ihn fertigmachen kannst. Das genügt
nicht.«
»Wir werden sehen, wie’s läuft.«
Weeks lächelte erbarmungslos. »Ich mache mir allmählich
Sorgen um dich, Bob. Es wird langsam Zeit, daß du mit einem
Alternativplan rüberkommst.«
Bob Kinellen ließ die Bemerkung lieber auf sich beruhen. Er
schlug die Speisekarte auf. »Ich treff mich später mit Alice bei
Arnott. Wolltest du auch hingehn?«
»Zum Teufel, nein. Das fehlt mir gerade noch, daß er mich
wieder irgendwem vorstellt. Du solltest das wissen. Er hat mir
schon genug damit geschadet.«
Kerry und Robin saßen in gemütlichem Schweigen im
Wohnzimmer beisammen. Da der Abend kühl war, hatten sie
beschlossen, zum erstenmal in diesem Herbst ein Feuer zu
machen, was in ihrem Fall hieß, daß sie das Gas andrehten und
dann den Knopf drückten, der die Flammen durch die
Pseudoholzscheite schießen ließ.
Wie Kerry es Besuchern zu erklären pflegte: »Ich reagiere
allergisch auf Rauch. Dieses Feuer sieht echt aus und gibt
Wärme von sich. Es sieht sogar so echt aus, daß meine Putzfrau
die Pseudoasche aufgesaugt hat und ich losziehen mußte, um
neue zu besorgen.«
Robin breitete ihre Bilder über den Farbenreichtum der
Herbstblätter auf dem Couchtisch aus. »Was für ein toller
Abend«, erklärte sie zufrieden, »kalt und windig. Ich krieg’
bestimmt bald meine letzten Fotos zusammen. Kahle Bäume
und einen Haufen Blätter auf der Erde.«
Kerry saß in ihrem geräumigen Lieblingssessel mit den Füßen
auf einem Polsterkissen. Sie blickte auf. »Erinner mich bloß
nicht an das Laub. Ich bin’s leid.«
»Warum besorgst du dir nicht so eine Blätterblasmaschine?«
»Ich schenk’ dir eine zu Weihnachten.«
»Sehr komisch. Was liest du da, Mom?«
»Komm her, Rob.« Kerry hielt einen Zeitungsausschnitt mit
einer Abbildung von Suzanne Reardon hoch. »Erkennst du diese
junge Dame?«
»Sie war gestern bei Dr. Smith in der Praxis.«
»Du hast ein gutes Auge, aber es ist nicht dieselbe Person.«
Kerry hatte gerade angefangen, den Bericht über den Mord an
Suzanne Reardon zu lesen. Ihre Leiche war um Mitternacht von
ihrem Mann, Skip Reardon, entdeckt worden, einem
erfolgreichen Bauunternehmer und Seifmade-Millionär. Er hatte
sie auf dem Boden im Foyer ihrer gemeinsamen Luxusvilla in
Alpine aufgefunden. Sie war erwürgt worden. Sweetheart-Rosen
lagen über ihren Körper verstreut.
Das muß ich damals wohl gelesen haben, dachte Kerry.
Zweifellos muß es mich beeindruckt haben, wenn es zu diesen
Träumen führen konnte.
Zwanzig Minuten später stieß sie auf einen Ausschnitt, der sie
regelrecht nach Luft schnappen ließ. Skip Reardon war des
Mordes angeklagt worden, nachdem sein Schwiegervater, Dr.
Charles Smith, der Polizei berichtet hatte, seine Tochter habe in
ständiger Angst vor den wahnsinnigen
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