Ein Gesicht so schön und kalt
Eifersuchtsanfällen ihres
Mannes gelebt.
Dr. Smith war Suzanne Reardons Vater! Mein Gott, dachte
Kerry. Ist das der Grund, weshalb er ihr Gesicht anderen Frauen
aufpfropft? Wie bizarr. Mit wie vielen hat er das schon
gemacht? Hat er deshalb mir und Robin diesen Vortrag
gehalten, von wegen der Pflicht, Schönheit zu bewahren?
»Was ist denn los, Mom? Du siehst so komisch aus«, sagte
Robin.
»Nichts. Hab’ da einfach einen interessanten Fall.« Kerry
musterte die Uhr auf dem Kaminsims. »Neun Uhr, Rob. Pack
mal deine Sachen zusammen. Ich komm’ in einer Minute rauf
und sag’ dir gute Nacht.«
Während Robin ihre Fotos einsammelte, ließ Kerry die
Unterlagen, die sie in der Hand hielt, auf ihren Schoß gleiten.
Sie hatte schon von Fällen gehört, bei denen Eltern über den
Tod eines Kindes einfach nicht hinwegkamen, etwa das Zimmer
ihrer Tochter oder ihres Sohnes völlig unverändert ließen, die
Kleider noch im Schrank, ganz so, wie ihr Kind sie
zurückgelassen hatte. Aber eine Tochter neu zu »erschaffen«
und das wieder und wieder zu tun? Das ging sicher über reine
Trauer hinaus.
Sie stand langsam auf und folgte Robin die Treppe hinauf.
Nachdem sie ihrer Tochter einen Gutenachtkuß gegeben hatte,
ging sie in ihr eigenes Zimmer, zog sich um und kehrte dann in
Pyjama und Morgenmantel nach unten zurück, machte sich eine
Tasse Kakao und nahm ihre Lektüre wieder auf.
Das Verfahren gegen Skip Reardon schien wirklich rasch über
die Bühne gegangen zu sein. Er hatte offenbar zugegeben, sich
am Morgen ihres Todestages beim Frühstück mit Suzanne
gestritten zu haben. Ja, er räumte sogar ein, daß sie sich in den
Tagen davor fast ständig gezankt hatten. Er gab zu, er sei um
sechs Uhr abends heimgekommen und habe sie angetroffen, wie
sie Rosen in einer Vase arrangierte. Als er sie fragte, woher sie
stammten, habe sie erwidert, das ginge ihn überhaupt nichts an,
von wem die seien. Er sagte, daraufhin habe er ihr erklärt, wer
immer sie geschickt habe, könne Suzanne gern haben, er sei
fertig mit ihr. Dann, behauptete er, sei er zurück in sein Büro
gegangen, nach ein paar Drinks auf dem Sofa dort eingeschlafen
und um Mitternacht nach Hause zurückgekehrt, wo er dann ihre
Leiche vorgefunden habe.
Es war jedoch niemand in Erscheinung getreten, um seine
Aussage zu erhärten. Die Akte enthielt einen Teil der
Gerichtsprotokolle inklusive
Skips Zeugenaussage. Der
Staatsanwalt hatte mit Fragen auf ihn eingehämmert, bis er ganz
konfus wurde und sich in Widersprüche zu verwickeln schien.
Er hatte im Zeugenstand nicht gerade überzeugend gewirkt,
milde ausgedrückt.
Wie miserabel ihn doch sein Verteidiger auf seine
Zeugenaussage vorbereitet hatte, dachte Kerry. Sie bezweifelte
nicht, daß es bei den starken, von der Staatsanwaltschaft
vorgebrachten Indizien unabdingbar für Reardon war, selbst in
den Zeugenstand zu treten und seine Unschuld zu beteuern.
Aber es war offensichtlich, daß Frank Greens scharfes
Kreuzverhör Reardon völlig aus der Fassung gebracht hatte.
Keine Frage, dachte sie, Skip Reardon hat dazu beigetragen,
sein eigenes Grab zu schaufeln.
Die Urteilsverkündung hatte sechs Wochen nach Beendigung
des Verfahrens stattgefunden. Kerry war selbst hingegangen, um
den Vorgang mitzuerleben. Jetzt mußte sie wieder an jenen Tag
denken. Sie hatte Reardon als einen kräftigen, gutaussehenden
Mann mit roten Haaren in Erinnerung, der sich in seinem
Nadelstreifenanzug nicht wohl zu fühlen schien. Als der Richter
ihn fragte, ob er vor der Urteilsverkündung noch etwas sagen
wolle, hatte er erneut seine Unschuld beteuert.
Geoff Dorso hatte Reardon damals zur Seite gestanden, in
seiner Funktion als dem Verteidiger Reardons beigeordneter
Anwalt. Kerry kannte ihn oberflächlich. In den zehn seither
vergangenen Jahren hatte Geoff sich einen guten Ruf als
Strafverteidiger erworben, doch sie kannte ihn nicht aus eigener
Erfahrung. Sie war noch nie vor Gericht gegen ihn angetreten.
Sie kam jetzt zu dem Zeitungsausschnitt über die
Urteilsverkündung. Er enthielt auch ein direktes Zitat von Skip
Reardon: »Ich bin unschuldig am Tod meiner Frau. Ich habe ihr
nie etwas angetan. Ich habe sie nie bedroht. Ihr Vater, Dr.
Charles Smith, ist ein Lügner. Vor Gott und diesem Gericht
schwöre ich, daß er lügt.«
Trotz der Wärme vom Feuer her fröstelte sie.
15
Alle wußten, oder glaubten zumindest zu wissen, daß Jason
Arnott von Haus aus reich war. Er lebte seit fünfzehn Jahren in
Alpine, schon seit er damals das
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