Ein Gesicht so schön und kalt
fünfundsechzig groß, mit einer eher fülligen Figur;
sie hatte kurze, leicht gewellte braune Haare, lebhafte braune
Augen und ein Gesicht, das Intelligenz und Wärme ausstrahlte.
Früher, vor fünfzehn Jahren, als sie noch mit Skip ausging,
war sie Lehrerin gewesen. Inzwischen hatte sie die
Magisterprüfung abgelegt und arbeitete als Therapeutin in einer
benachbarten Schule.
Ihre Miene bei ihrem heutigen Besuch verriet, daß sie von
großer Sorge erfüllt war. Geoff wies auf eine bequeme Sitzecke
hinten im Raum und erklärte: »Ich weiß, daß vor einer halben
Stunde frischer Kaffee gemacht worden ist. Wie wär’s damit?«
Ein flüchtiges Lächeln zeigte sich in ihrem Gesicht. »Das
wäre mir lieb.«
Er beobachtete ihren Gesichtsausdruck, während sie über dies
und das sprachen und er für sie beide Kaffee einschenkte. Sie
sah eher beunruhigt als niedergeschlagen aus. Er war nun
überzeugt, daß Mrs. Reardon nichts zugestoßen war. Dann fiel
ihm eine andere Möglichkeit ein. Herr im Himmel, hat Beth
womöglich jemanden kennengelernt, der ihr gefällt, und sie
weiß nicht, wie sie das Skip beibringen soll? Natürlich konnte so
etwas passieren sollte vielleicht sogar passieren -, aber für Skip
wäre das ein harter Schlag, darüber war sich Geoff im klaren.
Sobald sie es sich bequem gemacht hatten, kam Beth sofort
zur Sache. »Geoff, ich hab’ gestern abend mit Skip telefoniert.
Ich mache mir wirklich Sorgen. Sie wissen doch, wieviel
darüber geredet wird, daß man verurteilten Mördern verwehren
sollte, ständig neue Revisionsanträge zu stellen. Skip hat sich
praktisch mit der Hoffnung am Leben erhalten, daß eines Tages
ein Wiederaufnahmeverfahren in Gang kommt. Sollte er die
Hoffnung je völlig aufgeben - ich kenne ihn -, dann wird er
sterben wollen. Er hat mir von dieser Staatsanwältin erzählt, die
bei ihm war. Er ist überzeugt, daß sie ihm nicht glaubt.«
»Glauben Sie denn, er könnte an Selbstmord denken?« fragte
Geoff schnell. »Falls ja, dann müssen wir etwas unternehmen.
Als vorbildlicher Häftling hat er etwas mehr Privilegien. Ich
sollte den Gefängnisdirektor warnen.«
»Nein, nein! Melden Sie das nur ja nicht weiter!« rief Beth
aus. »Ich meine doch nicht, daß er sich jetzt etwas antun könnte.
Er weiß, daß er damit auch seine Mutter töten würde. Ich denke
nur…« Sie warf in einer hilflosen Geste die Hände hoch.
»Geoff«, brach es aus ihr heraus, »gibt es irgendeine Hoffnung,
die ich ihm vermitteln kann? Oder was ich vielleicht fragen will:
Sehen Sie eine realistische Chance, daß Sie Gründe für einen
neuen Revisionsantrag finden?«
Noch vor einer Woche, dachte Geoff, hätte ich ihr sagen
müssen, daß ich diesen Fall bis ins letzte Detail überprüft habe
und nicht mal den leisesten Hinweis auf eine neue Begründung
finden kann. Kerry McGraths Anruf allerdings hat die Lage
entscheidend geändert.
Er bemühte sich, nicht zu ermutigend zu wirken, während er
nun Beth von den beiden Frauen berichtete, die Kerry McGrath
in der Praxis von Dr. Smith gesehen hatte, und von Kerrys
wachsendem Interesse an dem Fall. Als er sah, wie Beths
Gesicht immer zuversichtlicher aufleuchtete, hoffte er inständig,
er werde sie und Skip nicht auf einen Weg führen, der sich
letzten Endes doch nur als eine neue Sackgasse entpuppte.
Beths Augen füllten sich mit Tränen. »Dann befaßt sich Kerry
McGrath also noch mit dem Fall?«
»Absolut. Sie ist wirklich was Besonderes, Beth.« Als Geoff
sich selbst diese Worte sagen hörte, stellte er sich Kerry vor: die
Art, wie sie sich eine blonde Locke hinter das Ohr steckte,
während sie sich konzentrierte, der sehnsüchtige Ausdruck in
ihren Augen, als sie ihm von ihrem Vater erzählte, ihr
trainierter, schlanker Körper, ihr bedauerndes, selbstkritisches
Lächeln, wenn Bob Kinellens Name ins Spiel kam, der freudige
Stolz, der sie erfüllte, wenn sie von ihrer Tochter sprach.
»Geoff, wenn es eine Basis für eine Revision gibt, haben wir
dann letztesmal einen Fehler gemacht, als wir nichts von mir
erwähnt haben?«
Die Frage riß ihn in die Gegenwart zurück. Beth bezog sich
auf einen Aspekt des Falls, der nie vor Gericht angesprochen
worden war. Kurz vor Suzannes Tod hatten Skip und Beth
wieder begonnen, sich zu treffen. Sie waren einander einige
Wochen zuvor zufällig über den Weg gelaufen, und Skip hatte
darauf bestanden, sie zum Lunch einzuladen. Daraus war ein
stundenlanges Gespräch
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