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Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall

Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall

Titel: Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Winter
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schwarzweiß gesprenkelten Bart gekrault.
    Der Aborigine lehnte es strikt ab, in einem von der Regierung bereitgestellten Haus zu wohnen. Stattdessen lebte er einige Kilometer außerhalb der Community in einem kleinen Wiltja, einer Art Sonnen- und Windschutz aus Zweigen, Blättern und Rinde. Die meiste Zeit verbrachte er aber draußen im Busch.
    An den Lagerfeuern erzählten die Stammesältesten noch heute Geschichten von Verwandten, die nach wie vor im alten Land, weit hinter den Salzseen, das althergebrachte Leben lebten und die noch kein Weißer zu Gesicht bekommen hatte. Ungjeeburra, so hieß es, war der Einzige, der wusste, wo sie sich aufhielten, und der mit ihnen Kontakt hielt. Daryl hatte bis heute keine Ahnung, ob das stimmte. Es gehörte zu den wenigen Dingen, die Ungjeeburra ihm nie verraten hatte.
    »Warum versuchst du bei allem, was du tust, deine Spielkameraden zu übertreffen?« , hatte dieser ihn bei jener ersten Begegnung gefragt.
    Daryl war stehen geblieben und hatte den alten Eingeborenen angestarrt. Sprachlos und auch ein wenig ängstlich hatte er mit den Schultern gezuckt. Er hatte zwar schon von Ungjeeburra gehört, war ihm aber nie zuvor begegnet.
    »Ich beobachte dich schon seit vielen Monaten« , fuhr der Aborigine fort. »Du bist klug und geschickt. Die anderen Kinder mögen und akzeptieren dich. Warum reicht dir das nicht?«
    Daryl war überrascht und verwirrt gewesen. Zum einen hatte er sich diese Frage schon einige Male selbst gestellt, aber nie eine Antwort gefunden. Zum anderen hatte er nie bemerkt, dass ihn der Aborigine beobachtete. Als er nun in die fragenden Augen des Eingeborenen blickte, wusste er plötzlich, was wirklich in ihm vorging.
    Er fühlte sich mit den Aborigines so tief verbunden, dass es für ihn unbegreiflich und fast ein wenig erschreckend war. Aus diesem Grund wollte er alles über ihre Kultur wissen. Ihre Sitten und Gebräuche interessierten ihn ebenso brennend wie ihre Mythen, Sagen, ihr Naturwissen, ihre Jagdtechniken und ihre heiligsten Geheimnisse. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als ein Pintubi zu sein. Doch er war weiß, und das gab ihm das Gefühl, nie dazugehören zu können.
    Ungjeeburra hatte längst erkannt, dass Daryls Interesse an den Sitten und Gebräuchen der Eingeborenen weit über die übliche Neugier eines Elfjährigen hinausging. Und er war sich auch bewusst gewesen, dass dies zu Problemen führen würde. Daryls Eltern waren offene und verständnisvolle Menschen, die die Kultur der Eingeborenen achteten und bewunderten. Doch sie waren Weiße und dachten auch wie Weiße. Bei allem Verständnis für die australischen Ureinwohner war es ihnen nicht möglich, sich in sie hineinzuversetzen.
    Ungjeeburra wusste, dass sie ihrem Sohn nie erlauben würden, die Initiationsriten des Pintubi-Stammes zu absolvieren. Trotzdem hatte er sich seiner angenommen. Er hatte Daryl die Augen für Dinge geöffnet, die einem Weißen normalerweise für immer verborgen blieben, indem er ihn lehrte, die Welt auch aus dem Blickwinkel eines Aborigines zu sehen. Daryl war stolz auf dieses Wissen, über das selbst viele junge Eingeborene leider nicht mehr verfügten, weil sie sich nicht länger für das Leben ihrer Vorfahren interessierten oder weil es in ihrer Sippe ganz einfach niemanden mehr gab, der ihnen diese Kenntnisse weitergeben konnte.
    Im Alter von dreizehn Jahren schloss Daryl das Maliera-Ritual ab, wodurch er nicht nur vom Kind zum Mann wurde, sondern auch endgültig als vollwertiges Mitglied in die Erwachsenenwelt der Pintubi aufgenommen wurde. Erst dann durfte er auch die heiligen Plätze der Sippe, ihre geheimsten Zeremonien und die Tjurunga-Tafeln, das heiligste und kostbarste Gut des Stammes, sehen. Außerdem gehörte er fortan zu Ungjeeburras Clan und somit zu seiner Familie.
    Doch zuvor hatte Daryl gemäß einem uralten Stammesgesetz einen Monat auf sich allein gestellt im Busch gelebt. Früher, als das Volk der Pintubi und ihrer Verwandten, der Walbiri, noch durch die Wüste zog, hatten die jungen Männer sogar mehrere Monate völlig abgeschieden von ihrem Volk leben müssen, um in dieser Zeit den Umgang mit der Natur zu lernen, die alten Gesetze zu verstehen und sich innerlich zu reinigen. Dieser Brauch hatte aber mit der Zeit an Bedeutung verloren, weil mit dem Leben der Pintubi in den Siedlungen der Weißen die alten Fertigkeiten nicht mehr über Leben und Tod entschieden. In Ungjeeburras Clan wurde der Brauch zumindest in abgeschwächter Form noch

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