Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
Er wartete, bis sie sich weit genug entfernt hatte, dann folgte er den Männern.
Er entdeckte Bill Murgura an der Koppel mit den Wildpferden. Der Aborigine unterhielt sich mit einem der Stockmen, doch es war aus dieser Entfernung unmöglich zu erkennen, mit wem.
Daryl hatte sich gerade entschieden, etwas näher an die Männer heranzupirschen, als er wenige Meter vor sich eine Bewegung bemerkte. Eine Gestalt kauerte hinter einem Gummibaum und beobachtete die Männer bei der Koppel. Da sich der heimliche Beobachter völlig im Schatten befand und ihm zudem den Rücken zuwandte, gelang es Daryl nicht, ihn zu identifizieren.
Er hatte genug gesehen und beschloss, zum Lager zurückzukehren. Beinahe wäre er über den Mann gestolpert, der Murgura gefolgt war, weil er davon ausgegangen war, dass er derjenige sein müsse, mit dem sich Murgura am Pferch unterhielt. Noch mehr Risiken wollte Daryl nicht eingehen. Zwar brannte er darauf, herauszufinden, wer der Verfolger gewesen sein mochte, doch das musste bis zum Morgen warten.
Mrs. Sharp und Meena sorgten für ein reichhaltiges Frühstück, das heute nicht nur aus den üblichen Eiern mit Speck und Würstchen sowie Brot und Tee bestand, sondern auch gebratene Lammkoteletts, Käse und Kürbiskuchen umfasste.
Keiner der Stockmen war länger als bis zum ersten Gekrächze der Kakadus liegen geblieben. Die Männer waren aufgekratzt und freuten sich auf den bevorstehenden Tag, der eine Menge Spaß versprach.
Die Pferde, die man nicht für den Viehauftrieb oder das kleine Rodeo brauchte, sollten unmittelbar nach dem Frühstück freigelassen werden. Daryl beeilte sich mit dem Essen. Er wollte genug Zeit haben, um einen kleinen Spaziergang zu der Stelle zu unternehmen, wo sich der Unbekannte hinter dem Gummibaum versteckt hatte, um Murgura zu beobachten.
Wenn die Pferde aus den Koppeln gelassen wurden, würden sie in diese Richtung in den Busch galoppieren und vermutlich alle Spuren zerstören. Gern hätte er sich auch noch die Stelle bei der Einzäunung angesehen, wo sich Murgura mit dem anderen Stockman unterhalten hatte, doch dort gab es so viele Abdrücke, dass er einige Minuten brauchen würde, um die frischen Spuren von denen des Vortages zu unterscheiden – und er wollte ja nicht auffallen.
Daryl hatte Glück und fand unter dem Eukalyptusbaum ein halbes Dutzend brauchbarer Fußabdrücke. Der Unbekannte hatte Schuhgröße zweiundvierzig oder zweiundvierzigeinhalb und knöchelhohe australische Blundston Boots angehabt, was Daryl allerdings wenig weiterhalf, weil mindestens drei Viertel der Stockmen diese robusten Arbeitsschuhe trugen. Die Fußspuren verrieten aber noch mehr. Die Außenseite des linken Schuhs war stärker abgenutzt als die des rechten, außerdem wies die rechte Schuhsohle eine markante Einkerbung auf.
An einer sandigen Stelle fand Daryl einen weiteren Abdruck. Er verglich ihn mit seinen eigenen Fußabdrücken und folgerte aus der Abdrucktiefe, dass der Gesuchte zwischen fünfundsechzig und siebzig Kilo wiegen musste, womit er eher ein Leichtgewicht unter den Männern war.
Daryl war mit sich zufrieden. Er dachte an den alten Ungjeeburra, dem er sein Wissen über die Kunst des Spurenlesens verdankte. Er war es, der ihn im Fährtenlesen trainiert, ihm das Jagen mit dem Bumerang und den richtigen Umgang mit Speer und Woomera, der Speerschleuder, beigebracht und ihn auf die Initiationsriten des Stammes vorbereitet hatte. Der alte Aborigine hatte als einer der letzten Pintubi sein freies Nomadenleben in der Great Western Desert aufgegeben, um auf Drängen der Regierung in den Missionen der Weißen zu leben. Seit diesem Tag waren über vierzig Jahre vergangen, und Ungjeeburra war inzwischen ein alter Mann. Doch noch immer wurde sein Herz von Zeit zu Zeit heiß, wie die Eingeborenen zu sagen pflegten. Das war der Moment, an dem er zu einem Walkabout aufbrach, eine dieser wochen-, manchmal auch monatelangen geistigen und spirituellen Reisen durch das Land seiner Vorfahren. Sie gaben ihm neue Lebenskraft und sorgten dafür, dass der Kontakt zu seinen Ahnen nicht verlorenging. Ungjeeburra nannte das Den Fluss des Lebens bewahren .
Daryl erinnerte sich noch gut an seine erste Begegnung mit dem Aborigine. Er war damals elf Jahre alt gewesen und auf dem Nachhauseweg vom Spielen mit seinen Freunden. Ungjeeburra hatte, lediglich mit einem Lendenschurz aus geflochtenem Menschenhaar bekleidet, im Schatten eines Wittchetty-Busches gesessen und sich seinen langen,
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