Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
die ich angenommen hatte, besteht für mich endgültig kein Zweifel mehr an Ihrer Unschuld.«
»Sagten Sie eben Unschuld?«
Daryl lehnte sich entspannt gegen die Tür. »Exakt.«
Ein Landstreicher, der gerade erfahren hatte, dass er eine Million erben würde, hätte nicht verblüffter aussehen können. Poison-Joes Kiefer klappte mehrmals auf und zu, ehe er endlich etwas sagen konnte. »Nun kapier ich gar nichts mehr.«
»Es ist doch ganz einfach. Sie haben Ihr Gewehr versteckt. Wenn Sie Buttler tatsächlich erwürgt hätten, welchen Sinn hätte das dann gehabt?«
»Ich weiß nicht … Vielleicht, den Verdacht von mir abzulenken?«
»Aber nein«, entgegnete Daryl ungeduldig. »Versuchen Sie, die Dinge im richtigen Zusammenhang zu sehen. Wenn Sie Buttler tatsächlich erwürgt hätten, wäre Ihnen doch klar gewesen, dass ihre Winchester nicht die Tatwaffe sein konnte. Das Gewehr dennoch zu verstecken, wäre völlig unsinnig gewesen, zumal die Polizei die Sache zu der Zeit bereits als Unfall abgehakt hatte. Es entlastet Sie also gerade die Tatsache, dass Sie glaubten, Ihre Waffe verstecken zu müssen. Ich bin sicher, Ihre Winchester wurde tatsächlich von jemand anderem benutzt. Diese Person hat damit geschossen, aus welchen Gründen auch immer.«
»Und was ist mit dem Mordmotiv? Ich will mich ganz bestimmt nicht selbst belasten, aber ich bin sicher, jeder Staatsanwalt würde es problemlos so darstellen können, dass man mich allein schon aufgrund meines Motivs schuldig spricht.«
»Ja, richtig, Ihr Motiv. Ich muss zugeben, es ist erstklassig. Zudem hatten Sie auch die Gelegenheit, von Ihren Bärenkräften mal ganz zu schweigen. Aber Sie sind nicht der Einzige, der ein Motiv hat. Außerdem gibt es noch andere Überlegungen, die Sie in meinen Augen ebenfalls entlasten. Erstens: Wenn sie Buttlers Mörder wären, hätten Sie dann nicht den Verdacht auf Ray Hill gelenkt? Immerhin versuchten Sie an dem fraglichen Tag vergeblich, ihn über Funk zu erreichen. Mit dieser Aussage hätten Sie ihn schwer belasten und von sich als Täter ablenken können. Und zweitens: Als ich Sie fragte, ob Sie mit mir einen Whisky trinken wollten, haben Sie abgelehnt.«
Der alte Mann sah ihn verständnislos an. »Natürlich. Ich sagte Ihnen ja, dass ich so gut wie keinen Alkohol mehr trinke. Wieso sollte mich das entlasten?«
»Der Grund dafür ist jener Abend, als Sie in eine Schlägerei verwickelt wurden, in deren Verlauf Sie einen Mann zu Tode prügelten und einen anderen schwer verletzten. Damals waren Sie sturzbetrunken. Als Sie aber wieder nüchtern waren, sahen Sie in sich – wie nannten Sie es vor einiger Zeit? – ach ja, das Böse.«
»Ja. Aber was hat das mit Buttlers Tod zu tun?«
»Dieses Erlebnis hat Sie so geprägt, dass Sie von diesem Moment an Ihr Leben komplett umgekrempelt haben. Das schafft nur jemand mit Charakter. Ein solcher Mensch tötet nicht so schnell wieder.«
»Sie wissen schon, dass jeder andere Polizist und jeder Richter diese Argumentation für bekloppt halten wird, oder?«
»Sicher«, entgegnete Daryl mit einem breiten Grinsen. »Aber ich bin nicht jeder andere Polizist.«
Poison-Joe sah ihn mit großen Augen an. »Das kauf ich Ihnen mittlerweile sogar ab. Wenn Sie mich für unschuldig halten, warum wollen Sie mich dann nicht gehen lassen?«
»Weil mich das möglicherweise an der Überführung des Mörders hindert. Außerdem sind Sie schon lange genug davongelaufen. Sie sind hier zu Hause. Und Mr. Barrow braucht Sie.«
»Sie vergessen da eine Winzigkeit. Ich werde immer noch wegen des Banküberfalls gesucht, den ich nebenbei bemerkt gar nicht begangen habe.«
»Das habe ich auch keinen Moment angenommen.«
»Entschuldigen Sie, wenn ich das sage, aber das klingt jetzt doch ein wenig komisch. Woher wollen Sie wissen, dass ich es nicht gewesen bin? Schließlich habe ich einen falschen Namen angenommen und bin untergetaucht. Jeder vernünftige Mensch würde fragen, warum ich mich damals nicht gestellt habe, wenn ich tatsächlich unschuldig war.«
»Sie sind nicht der Typ für einen Banküberfall«, antwortete Daryl trocken.
»Na bestens. Wieder so ein Argument, das garantiert vor jedem Gericht standhält.« Poison-Joe schüttelte langsam den Kopf. »Sehen Sie, Simmons, ich weiß Ihr Vertrauen wirklich zu schätzen. Und obwohl Sie ein Cop sind, mag ich Sie. Aber das wird mir auch nichts nützen. Kein Schwein wird mir glauben. Schließlich habe ich fast zwei Jahre im Gefängnis gesessen. Für etwas,
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