Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
das ich noch heute bereue und das mich noch immer in meinen Träumen verfolgt. Ich habe diese Strafe verdient. Aber ich werde jetzt bestimmt nicht das Risiko eingehen, für etwas hinter Gitter zu gehen, das ich nicht getan habe.«
»Das müssen Sie auch nicht. Schließlich braucht es niemand zu erfahren.«
Langsam stand Poison-Joe auf, nahm seine Tasche und trat vor Daryl. Sein Gesicht war blass und seine rot geränderten Augen wirkten müde. »Ich würde Ihnen gern glauben, aber ich kann nicht. Also bitte, gehen Sie beiseite.«
Daryl sah ihm einen Moment fest in die Augen, dann gab er den Weg frei. Als der alte Mann die Türklinke berührte, sagte er: »Schade. Ich hatte geglaubt, Sie hätten mehr Mumm in den Knochen und würden mir vertrauen.«
Poison-Joe wandte sich langsam um. »Und ich muss wirklich nicht ins Gefängnis?«
»Versprochen. Sehen Sie, außer Ihnen, mir und meinem Chief weiß niemand, dass Joe Banks in Wirklichkeit Joseph Forbes ist. Und was mich angeht, so wird’s auch nie jemand erfahren.«
»Obwohl Sie das von mir wissen?«, fragte Poison-Joe mit misstrauischer Stimme.
»Was weiß ich denn? Dass Sie einmal in Ihrem Leben einen Fehler gemacht haben. Dass Sie verurteilt wurden und die Strafe längst abgesessen haben. Dass die Vergangenheit Sie wieder eingeholt hat, als Buttler diesen Zeitungsbericht fand. Dass er Sie erpresst und Ihnen das Geld abgenommen hat, das Sie als Dingojäger hart und ehrlich zusammengespart hatten. Wen interessiert das schon?«
»Was ist mit Ihrem Vorgesetzten?«
»Den lassen Sie ruhig meine Sorge sein«, meinte Daryl. »Also, wie steht’s? Bleiben Sie?«
Langsam verzog sich das Gesicht des alten Mannes zu einem breiten Grinsen. Schließlich streckte er Daryl seine riesige Hand entgegen. »Einverstanden!«
Zu spät erinnerte sich Daryl an seine erste Begegnung mit Poison-Joes Bärenpranke. Während das Blut aus seiner Hand gequetscht wurde, dachte er, dass Poison-Joe einen Nussknacker wohl für eine völlig überflüssige Erfindung halten musste.
19
M urgura war den ganzen Tag außer Gefecht gesetzt. Einmal brachte ihm Mrs. Sharp Tee und Zwieback, doch er konnte beides nicht bei sich behalten wie schon das Frühstück. Da er der Einzige war, der sich schlecht fühlte, konnte es nicht, wie er zunächst vermutet hatte, am Essen liegen.
Zum ersten Mal in seinem Leben war er krank. Dies war eine neue und erschreckende Erfahrung. Noch immer war sein Urin rötlich verfärbt, was ihn zusätzlich ängstigte. Er musste dringend zu einem Arzt. Natürlich zu keinem Weißen. Ihre Spritzen, Pillen und modernen Untersuchungsinstrumente waren ihm unheimlich. Er war überzeugt, dass ihm nur ein Stammesheiler helfen konnte.
Nachdem er das rötliche Pulver auf seinem Kopfkissen entdeckt hatte, waren ihm ohnehin Zweifel gekommen, ob die Ursache für seine Beschwerden tatsächlich nur eine gewöhnliche Erkrankung war. Jedoch konnte er sich auch nicht vorstellen, dass einer der anderen Eingeborenen es wagen würde, einen Fluch gegen ihn auszusprechen. Wie auch immer. Wenn er nicht sterben wollte, musste er möglichst rasch zu seiner Sippe nach Kalumburu, um sich behandeln zu lassen. Er war in einer Zwickmühle. Er hatte geglaubt, sich Zeit nehmen zu können, um Meenas Willen zu brechen. Doch nun, da er immer schwächer wurde, blieb ihm keine andere Wahl als rasch zu handeln.
Ray Hill hatte den Aborigine zunächst nicht aus den Augen gelassen. Doch nach einigen Stunden war ihm klar geworden, dass Murgura an diesem Tag nirgendwo mehr hingehen würde. Dem Eingeborenen ging es ziemlich mies, was aber leider nicht an den Schlägen lag, die er ihm am Morgen verpasst hatte. Vielleicht würde Murgura sich am nächsten Tag auf den Weg zu Meena machen. Nach der heutigen Auseinandersetzung hoffte Ray darauf. In diesem Fall wollte er bereit sein und ihm folgen.
Als Daryl am Morgen erwachte, war er mehr als zufrieden. Poison-Joe hatte er endgültig von seiner Verdächtigenliste streichen können, und Murgura war am Vorabend nicht zum Essen erschienen. Offenbar war dem Aborigine inzwischen klar, dass es ihm schlechter ging, sobald er aß oder trank. Und genau das war es, was Daryl bezweckt hatte. Er hatte das untrügliche Gefühl, dass sich an diesem Tag weitere entscheidende Dinge ereignen würden.
Es war kurz nach fünf Uhr morgens, als er zum Haupthaus hinüberging. In der Küche brannte bereits Licht, und bald schon stieg ihm der Geruch von frischem Brot und
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