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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Tastatur, und neue Würfel erscheinen. Romane. Filme. Fernsehprogramme. Zettel. Flugblätter. Er weiß, daß mehr als die Hälfte des Jahrhunderts die allgemeinen Einstellungen gegenüber sexuellen Dingen gleichzeitig in legalen und illegalen Bereichen zum Ausdruck kamen: die üblichen Schriften und Filme der Zeit und ein im »Untergrund« verlaufender Strom von tabuisierten, »verbotenen« erotischen Werken. Jason bezieht sich auf beide Materialgruppen. Er muß die merkwürdigen Verzerrungen der Erotika gegen die verzerrte Darstellung des damals legitimen Materials abwägen; nur so kann er sich der objektiven Wahrheit nähern. Dann untersucht er auch die früheren Gesetzestexte, wobei er natürlich berücksichtigt, daß Gesetze mehr oder weniger streng eingehalten werden können. Da heißt es zum Beispiel in den Gesetzen von New York: »Eine Person, die sich selbst oder Teile des eigenen Körpers an einem öffentlichen Ort oder an einem Ort, an dem andere Personen zugegen sind, aus eigenem Willen in unzüchtiger Weise zur Schau stellt, oder jemand anderen anhält, sich in solcher Weise zur Schau zu stellen, ist schuldig der…« Schwer zu verstehen. Im Staat Georgia, so liest er, ist jeder Schlafwagenpassagier, der sich in einem anderen Abteil als seinem eigenen aufhält, eines Vergehens schuldig und kann mit einer Geldstrafe bis zu $ 1000 oder einer Gefängnisstrafe bis zu zwölf Monaten bestraft werden. Aus dem Gesetz des Staates Michigan erfährt er: »Jede Person, die eine weibliche Person medizinisch behandelt und ihr während dieser Behandlung erklärt, daß es nützlich oder notwendig für ihre Gesundheit sei, mit einem Mann oder einem bestimmten Mann zu schlafen, der nicht der angetraute Gatte dieser weiblichen Person ist, oder wer aufgrund einer solchen Erklärung selbst mit einer weiblichen Person sexuellen Verkehr aufnimmt, ist eines Kapitalverbrechens schuldig und wird mit einer Gefängnisstrafe von höchstens zehn Jahren bestraft.« Seltsam. Noch seltsamer aber: »Jede Person, die in irgendeiner Form sexuellen Verkehr mit einem Tier oder einem Vogel ausübt, ist schuldig der Sodomie…« Kein Wunder, daß es keine Tiere mehr gibt! Und das da? »Jeder, der mit einer beliebigen Frau oder einem beliebigen Mann fleischlichen Verkehr durch den After (Mastdarm) oder mit dem Mund oder mit der Zunge ausführt, oder mit einem toten Körper zu verkehren versucht… $ 2000 und/oder fünf Jahre Gefängnis…« Am aufregendsten aber findet Jason, daß in Connecticut der Gebrauch von Verhütungsmitteln unter Androhung einer Mindeststrafe von $ 50 oder sechzig Tagen bis ein Jahr Gefängnis verboten ist und daß ein Gesetz in Massachusetts bestimmt: »Wer immer eine Droge, eine Medizin, ein Instrument oder irgendeinen anderen Artikel, der zur Empfängnisverhütung dient, verkauft, verleiht, weitergibt, ausstellt oder anbietet, wird mit höchstens fünf Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe bis zu $ 1000 bestraft.« Wie? Was? Ein Mann soll für Jahre ins Gefängnis, weil er mit seiner Frau Cunnilingus ausübt; aber einer, der Verhütungsmittel weitergibt, kommt mit einer geringfügigen Strafe davon! Wo war Connecticut überhaupt? Wo war Massachusetts? Obwohl er Historiker ist, ist er sich dessen nicht sicher. Er muß auf einer Karte nachsehen. Gott segne, sagt er sich, aber sie haben ihren Untergang wirklich verdient. Ein seltsamer Menschenschlag, der so mild mit denen umgeht, die Geburten verhindern wollen!
    Er geht noch ein paar Romane durch und sieht sich ein paar geraffte Auszüge aus Filmen an. Obwohl das der erste Tag seiner Forschung in dieser Richtung ist, spürt er schon, daß er auf dem richtigen Weg ist. Er ist sich dessen sicher, daß er grundlegende neue Einsichten gewinnen wird.
    Als er sich dem Ende seines täglichen Arbeitspensums nähert, ist er mehr denn je von der Gültigkeit seiner These überzeugt. Es hat in den letzten dreihundert Jahren einen grundlegenden Wandel der sexuellen Moral gegeben, und das kann nicht nur durch kulturelle Veränderungen erklärt werden. Wir sind anders, sagt er sich. Wir haben uns geändert, und zwar grundlegend geändert, wir haben eine Transformation des Körpers ebenso wie des Geistes durchgemacht. Sie hätten damals eine völlige gegenseitige Verfügbarkeit wie in unserer Gesellschaft niemals zulassen, schon gar nicht ermutigen können. Unser Nachtwandeln, unsere Nacktheit, unsere Freiheit von Tabus, unser Mangel an irrationaler Eifersucht, all das wäre für sie

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