Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
mögen oder nicht. Und die, die es nicht mögen, die es vielleicht gar nicht ertragen können – nun, du weißt ja, was mit ihnen geschieht.«
»Aber…«
»Augenblick. Zwei Jahrhunderte selektiver Fortpflanzung, Michael. Den Schacht hinunter mit den Flippos. Und zweifellos ein gewisser Bevölkerungsverlust durch Verlassen des Gebäudes, zumindest am Anfang. Die zurückbleiben, passen sich den Umständen an. Sie mögen die Lebensweise in den Urbmons. Es erscheint ihnen fast als natürlich.«
»Ist es aber wirklich genetisch zu erklären? Könnte man es nicht einfach eine psychologische Konditionierung nennen? Ich meine, in asiatischen Ländern haben die Menschen immer so dicht aufeinander gelebt wie wir, nur waren sie viel schlechter dran, kein Gesundheitswesen, keine funktionierende Ordnung – und haben sie das nicht auch als die natürliche Ordnung der Dinge akzeptiert?«
»Natürlich«, sagt Jason. »Weil Rebellion gegen die natürliche Ordnung der Dinge schon vor Tausenden von Jahren aus ihnen herausgezüchtet worden ist. Diejenigen, die übrigblieben, die sich fortpflanzten, das waren auch diejenigen, die die Dinge so akzeptierten, wie sie waren. Und so ist es auch mit uns.«
Zweifelnd fragt Michael: »Wie kannst du eine klare Trennungslinie zwischen psychologischer Konditionierung und einer selektiven Fortpflanzung auf lange Sicht ziehen? Wie willst du wissen, welcher Tatbestand wie zu erklären ist?«
»Mit diesem Problem habe ich mich noch nicht auseinandergesetzt«, gibt Jason zu.
»Solltest du nicht mit einem Genetiker zusammenarbeiten?«
»Das werde ich später vielleicht tun. Ich muß zuerst genug Daten zusammentragen. Verstehst du, bis jetzt bin ich noch nicht in der Lage, diese These zu verteidigen. Ich brauche erst genügend Daten, um zu sehen, ob sie überhaupt verteidigt werden kann. Das ist unsere wissenschaftliche Methode. Wir gehen nicht a priori von einer Vermutung aus, um diese dann abzustützen; vielmehr untersuchen wir zuerst das Material und…«
»Ja, ja, ich weiß. Aber nur zwischen uns – glaubst du wirklich, daß sich eine neue Art Menschen entwickelt? Eine Urbmon-Gattung von Menschen?«
»Das glaube ich. Ja. Zwei Jahrhunderte selektiver Fortpflanzung, ziemlich rücksichtslos durchgesetzt. Und wir alle sind jetzt bestens angepaßt an diese Art von Leben.«
»Ah. Ja. Wir alle sind bestens angepaßt.«
»Mit einigen Ausnahmen«, gibt Jason zu. Er und Michael tauschen unsichere Blicke aus. Jason fragt sich, was für Gedanken sich hinter den kühlen Augen seines Schwagers verbergen. »Aber das System wird allgemein akzeptiert. Wo ist denn die alte, früher alles beherrschende expansionistische Philosophie des Westens geblieben? Aus der Rasse herausgezüchtet sage ich. Der Drang zur Macht? Die Liebe zur Eroberung? Der Hunger nach Land und Besitz? Weg. Weg. Weg! Ich glaube nicht, daß das nur ein Konditionierungsprozeß ist. Ich vermute, daß der menschlichen Rasse bestimmte Gene genommen worden sind, die…«
»Abendessen, Professor«, ruft Micaela.
Eine kostbare Mahlzeit. Proteoid-Steaks, Wurzelsalat, Blasenpudding, Gewürze, Fischsuppe. In den nächsten zwei Wochen werden er und Micaela sich etwas einschränken müssen, bis sie das Defizit durch diese luxuriöse Bestellung wieder ausgeglichen haben.
Als er am nächsten Morgen in sein Büro kommt, beschäftigt er sich sogleich mit seinem neuen Studienfeld, ruft die verfügbaren Daten über die sexuellen Gebräuche in den alten Zeiten ab. Wie üblich konzentriert er sich auf das 20. Jahrhundert, das er als den Höhepunkt der alten Ära betrachtet. Das 21. Jahrhundert ist für seine Zwecke weniger geeignet, es ist chaotisch wie alle Zeiten des Übergangs, und das 22. Jahrhundert bringt ihn schon zum Beginn der neuen, der Urbmon-Zeit. Daher beschäftigt er sich vorzugsweise mit dem 20. Jahrhundert, das schon die Vorboten des Zusammenbruchs kennt, das dicht durchwoben ist mit den Vorzeichen der kommenden Katastrophe.
Jede Art von Material ist ihm verfügbar. Trotz der Zerstörungen durch die große Katastrophe existiert noch immer eine enorme Menge von Materialien aus der Zeit vor den Urbmons. Sie werden in einer unterirdischen Höhle gelagert, von der Jason nicht weiß, wo sie ist. Das ist auch gleichgültig, denn er kann jederzeit über beliebige Daten verfügen. Man muß nur wissen, wonach man fragen muß. Und er ist vertraut genug mit diesen Quellen, um die benötigten Daten gezielt abrufen zu können. Er bedient die
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