Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
kann nicht ausgedehnt werden, und unsere Möglichkeiten, überzählige Bevölkerung abzugeben, sind alles andere als flexibel. Wir müssen daher vor allem anderen ein geregeltes Wachstum planen.«
Shawke lächelt durchsichtig und sagt: »Vergib mir die obszönen Worte, aber ich muß dir sagen, daß du dich fast wie ein Propagandist für Geburtenbegrenzung anhörst.«
»Nein!« platzt Siegmund heraus. »Gott segne, nein! Natürlich muß die universelle Fruchtbarkeit gewahrt bleiben!« Shawke lächelt ihn nur an, ohne etwas zu sagen. Er spielt mit ihm. Dieses sadistische Spiel scheint ihm großes Vergnügen zu bereiten. »Worauf ich eigentlich hinauswollte«, fährt Siegmund gezwungen fort, »ist vielmehr die Notwendigkeit, innerhalb der Struktur einer Gesellschaft, die unbegrenzte Fortpflanzung ermutigt, gewisse Kontrollen und Gleichgewichte zu erzwingen, um möglicherweise selbstzerstörerische Prozesse zu verhindern. Wenn wir den Leuten erlauben würden, das Geschlecht ihrer Kinder selbst zu bestimmen, dann könnte es leicht passieren, daß wir eine zu 65% männliche und zu 35% weibliche Generation erhalten – oder umgekehrt, je nach den Launen und Moden des Augenblicks. Wenn das geschähe, was wird dann aus denen, die keinen Partner finden können? Wo sollen sie hingehen? Sagen wir, 15.000 Männer des gleichen Alters, für die es keine Partnerin gibt. Das könnte nicht nur gefährliche soziale Spannungen bewirken – man stelle sich eine Epidemie von Vergewaltigungen vor! –, vielmehr würde die Gesellschaft auch die Erbmasse dieser Unverheirateten verlieren. Und so veraltete Gebräuche wie die Prostitution müßten wiederbelebt werden, um die sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Die offensichtlichen Konsequenzen eines unausgeglichenen Zahlenverhältnisses zwischen den Geschlechtern wären von so ernster Natur, daß…«
»Offensichtlich«, murmelt Shawke, ohne seine Langeweile zu verbergen.
Aber wenn Siegmund mit der Ausführung einer Theorie begonnen hat, dann ist er nicht mehr so leicht zum Halten zu bringen. »Die Freiheit, das Geschlecht der eigenen Kinder zu wählen, wäre daher weit gefährlicher, als überhaupt keinen Einfluß auf das Zahlenverhältnis zwischen den Geschlechtern auszuüben. In früheren Zeiten kamen diese Zahlen durch zufällige biologische Entwicklungen zustande, und natürlich tendierte es zu einem Verhältnis von 50:50, wobei solche besonderen Faktoren wie Krieg oder Auswanderung noch nicht in Betracht gezogen sind, aber das berührt uns ja ohnehin nicht. Aber da wir in der Lage sind, das zahlenmäßige Verhältnis der Geschlechter zu kontrollieren…«
Siegmund fährt fort und fort, bis ihn Shawke endlich unterbricht: »Gott segne, Siegmund, das ist genug.«
»Sir?«
»Du hast deine Ansicht dargelegt. Ich habe nicht um eine Dissertation gebeten, nur um deine Meinung.«
Siegmund fühlte sich wie am Boden zertreten. Er tritt einen Schritt zurück, unfähig, Shawkes steinerne, verächtliche Augen aus so großer Nähe zu ertragen. »Ja, Sir«, murmelt er. »Was soll ich dann mit diesem Würfel tun?«
»Bereite eine Antwort vor, die in meinem Namen herausgegeben werden wird. Darin soll im wesentlichen das enthalten sein, was du mir eben gesagt hast, nur ein bißchen besser ausgeschmückt, berufe dich auf eine gelehrte Autorität. Rede mit einem Soziocomputator und laß dir ein Dutzend eindrucksvoll klingende Gründe nennen, warum die freie Geschlechterwahl vermutlich das Gleichgewicht zerstören würde. Zieh einen Historiker zu Rate und frag ihn, was passiert ist, als freie Geschlechterwahl zum letzten Mal erlaubt war. Laß dir die Zahlen geben. Und hülle das alles in einen Appell an ihre Loyalität gegenüber der größeren Gemeinschaft. Klar?«
»Ja, Sir.«
»Und mach ihnen klar, ohne das zu offen zu sagen, daß ihr Verlangen abgelehnt ist.«
»Ich werde sagen, daß wir es zur weiteren Untersuchung an den Hohen Rat verweisen.«
»Genau«, stimmt Shawke zu. »Wie viel Zeit wirst du für das alles brauchen?«
»Ich könnte es bis morgen Nachmittag fertig haben.«
»Nimm dir drei Tage Zeit. Übereile es nicht.« Shawke macht ihm durch eine Geste deutlich, daß er entlassen ist. Während sich Siegmund abwendet, lächelt Shawke grausam und sagt: »Rhea läßt ihre Liebe übermitteln.«
»Ich verstehe einfach nicht, warum er mich so behandeln muß«, sagt Siegmund und versucht dabei, seine Stimme nicht zu weinerlich klingen zu lassen. »Verhält er sich gegenüber jedem
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