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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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so?«
    Er liegt neben Rhea Freehouse. Beide sind nackt; sie haben sich heute nacht noch nicht geliebt. Über ihnen drehen und verschieben sich Lichtmuster. Rheas neues Gemälde, das sie während des Tages von einem Künstler in San Franzisko gekauft hat. Siegmunds Hand liegt auf ihrer linken Brust. Fest und klein, sie enthält fast kein Fett. Sein Daumen auf ihrer Brustwarze.
    »Vater hält sehr viel von dir«, sagt sie.
    »Er zeigt es auf eine merkwürdige Weise. Er spielt mit mir, verspottet mich fast. Er muß mich sehr komisch finden.«
    »Das bildest du dir ein, Siegmund.«
    »Nein. Wirklich nicht. Naja, ich kann ihm wohl keinen Vorwurf machen. Ich muß ihm wirklich lächerlich vorkommen. Daß ich die Probleme des Urbmons so ernst nehme. Daß ich ihm mit langen theoretischen Vorlesungen antworte. Diese Dinge bedeuten ihm nicht mehr viel, und ich kann von einem Mann mit sechzig nicht erwarten, daß er seiner Laufbahn noch so verpflichtet ist wie mit dreißig. Aber er will erreichen, daß ich mir wie ein Idiot vorkomme, weil ich meine Verpflichtung noch so ernst nehme. Als ob jeder, der sich in administrativen Dingen engagiert, unglaublich einfältig sein müßte!«
    »Ich habe nicht gewußt, daß du so gering von ihm denkst«, sagt Rhea.
    »Und alles nur, weil er seine eigenen Fähigkeiten nicht voll erkennt und einsetzt. Er könnte ein großer Führer sein. Statt dessen sitzt er nur da und lacht über alles.«
    Rhea wendet sich ihm mit ernstem Ausdruck zu.
    »Du schätzt ihn falsch ein, Siegmund. Er ist dem Wohlergehen der Gemeinschaft ebenso verpflichtet wie du. Nur seine äußerliche Art hindert dich daran zu sehen, wie sehr er in seiner Verantwortung aufgeht.«
    »Kannst du mir dafür ein Beispiel nennen?«
    »Sehr oft«, fährt sie fort, »projizieren wir unsere eigenen unterdrückten Einstellungen in andere Menschen. Wenn wir tief in unserem Innern annehmen, daß etwas banal oder wertlos ist, dann beschuldigen wir andere Leute, so niederträchtig zu denken. Wenn wir uns insgeheim fragen, ob wir so selbstlos oder pflichtbewußt sind, wie wir das von uns behaupten, dann werfen wir anderen vor, nachlässig zu sein. Es ist daher denkbar, Siegmund, daß dein eigenes Engagement in Regierungsdingen nur auf deinem Wunsch nach Macht und sozialer Anerkennung beruht, und so fühlst du dich deines ausgeprägten Ehrgeizes schuldig – versuchst aber nur in anderen das zu sehen, was du in Wirklichkeit selbst bist…«
    »Halt! Das bestreite ich ganz entschieden…«
    »Hör auf, Siegmund. Ich will dich nicht herabsetzen. Ich möchte dir nur mögliche Erklärungen für deine Schwierigkeiten in Louisville anbieten. Wenn du willst, daß ich nichts mehr sage…«
    »Sprich weiter.«
    »Ich werde dir noch etwas sagen, und du kannst mich deshalb hassen, wenn du willst. Du bist furchtbar jung, Siegmund, für das, was du erreicht hast. Jedermann weiß, daß du eine enorme Begabung hast und daß du es verdienst, eines Tages nach Louisville zu kommen, aber du bist selbst darüber beunruhigt, wie schnell du hochgekommen bist. Du versuchst es zu verbergen, aber vor mir kannst du das nicht. Du hast Angst, daß man dir deinen schnellen Aufstieg übelnimmt – vielleicht sind sogar Leute über dich ärgerlich, die noch über dir stehen, nimmst du manchmal an. Du bist überempfindlich. Du siehst die schrecklichsten Dinge in einem unschuldigen Gesichtsausdruck. Wenn ich an deiner Stelle wäre, Siegmund, dann würde ich mich etwas entspannen und mich meiner selbst zu erfreuen versuchen. Reg dich nicht auf wegen der nächsten Stufen deiner Erfolgsleiter – du bist auf dem Weg nach oben, du kannst gar nicht fehlgehen, du kannst es dir leisten, locker zu lassen und dich nicht dauernd mit der Theorie der urbanen Administration zu beschäftigen. Versuch doch, lässiger zu werden. Weniger geschäftsmäßig, weniger auf deine Karriere versessen. Kultiviere Freundschaften mit Leuten deines eigenen Alters, schätze Leute um ihrer selbst willen, nicht der Hilfe wegen, die du von ihnen erhalten kannst. Bemühe dich, menschlicher zu werden. Geh im ganzen Urbmon herum; nachtwandle in Warschau oder Prag. Es ist unüblich, aber nicht illegal, und es kann dir vielleicht etwas von deiner Steifheit nehmen. Sieh dir an, wie einfachere Leute leben. Verstehst du jetzt, was ich dir sagen wollte?«
    Siegmund schweigt.
    »Einiges«, sagt er endlich. »Ich glaube, daß ich jetzt einiges sehr gut verstehe.«
    »Gut.«
    »Es sinkt allmählich in mich ein. Es hat

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