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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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»Zu schreien, wie wir das getan haben. Wir beide. Sie könnten uns mindestens zu den Ethikingenieuren schicken.«
    »Ich werde das mit Mattern in Ordnung bringen, Jason. Überlaß das mir. Ich werde dafür sorgen, daß er wiederkommt, und es ihm erklären, und dann werde ich ihm die Nummer seines Lebens machen.« Sie lacht ihn freundlich an. »Du blöder Flippo.« Zuneigung schwingt nun in ihrer Stimme mit. »Vermutlich haben wir mit unserem Geschrei die halbe Etage unfruchtbar gemacht. Und was hat das für einen Sinn, Jason?«
    »Ich wollte dir helfen, dich selbst besser zu verstehen. Dein im Grunde archaischer psychologischer Aufbau, Micaela. Wenn du nur dich selbst objektiv betrachten könntest, wenn du erkennen könntest, wie unsinnig einige deiner Motivationen sind – ich möchte keinen neuen Streit anfangen, versteh mich nicht falsch, ich versuche nur, dir etwas zu erklären…«
    »Und deine Motivationen, Jason? Du bist so archaisch wie ich. Wir beide sind Rückfälle. Unsere Köpfe sind voll von primitiven moralischen Reflexen. Stimmt das vielleicht nicht? Siehst du das nicht?«
    Er dreht sich um und geht von ihr weg. Während er ihr den Rücken zuwendet, streichen seine Finger über den Handschmeichler – eine samtig fein aufgeraute Fläche in der Wand neben dem Reiniger –, bis sich ein Teil seiner Spannung löst und abfließt. »Ja«, sagt er nach langem Schweigen. »Ja, ich sehe es. Wir haben den äußeren Anstrich glücklicher Urbmon-Bewohner. Aber darunter – Eifersucht, Neid, Besitzstreben…«
    »Ja. Ja.«
    »Und du denkst natürlich auch daran, was diese Entdeckung für meine Arbeit bedeutet?« Er bringt ein leises Kichern hervor. »Meine These sagt, daß die selektive Fortpflanzung in den Urbmons eine neue Spezies von Menschen hervorgebracht hat. Das mag zutreffen, aber ich gehöre nicht zu dieser Spezies. Du gehörst nicht dazu. Vielleicht gehören sie dazu, einige von ihnen. Aber wie viele? Wie viele sind es wirklich?«
    Sie tritt hinter ihn und schmiegt sich an ihn. Er spürt, wie die Spitzen ihrer kleinen Brüste seinen Rücken berühren. »Vielleicht die meisten von ihnen«, sagt sie. »Deine These mag noch immer richtig sein. Aber wir sind falsch. Wir gehören im Grunde nicht hierher.«
    »Ja.«
    »Rückfälle in ein früheres Zeitalter.«
    »Also sollten wir damit aufhören, uns gegenseitig zu foltern, Jason. Wir müssen uns besser tarnen. Verstehst du?«
    »Ja. Andernfalls werden wir im Schacht enden. Wir sind unselige, nicht angepaßte Wesen, Micaela.«
    »Wir beide.«
    »Wir beide.«
    Er wendet sich um. Legt seine Arme um sie. Er zwinkert ihr verschwörerisch zu. Sie zwinkert zurück.
    »Rachedürstiger Barbar«, sagt sie zärtlich.
    »Haßerfüllte Barbarin«, flüstert er, während er ihr Ohrläppchen liebkost.
    Sie gleiten zusammen auf die Schlafplattform. Die Nachtwandler werden eben warten müssen.
    Er hat sie noch nie so geliebt wie in diesem Augenblick.

5
    In Louisville fühlt sich Siegmund Klüver noch immer wie ein kleiner Junge. Es gelingt ihm nicht, sich selbst davon zu überzeugen, daß er sich zu Recht und seiner Arbeit wegen hier aufhält. Er fühlt sich wie ein Fremder. Ein ungebetener Eindringling. Wenn er in die Stadt hinaufgeht, die den Herren des Urbmons gehört, dann erfaßt ihn eine seltsame jungenhafte Schüchternheit, die er nur mit bewußter Anstrengung verbergen kann. Er ist immer wieder versucht, nervös über die Schulter zu spähen; hält Ausschau nach den Patrouillen, die er fürchtet, weil sie ihn aufhalten könnten. Die große, muskulöse Gestalt, die ihm den Korridor versperrt. Was machst du denn hier, mein Sohn? Du solltest dich nicht in diesen Etagen herumtreiben. Weißt du nicht, daß Louisville die Stadt der Administratoren ist? Und Siegmund wird mit feuerrotem Gesicht dastehen, stotternd nach Ausreden suchen. Und in Richtung auf den Fall-Lift davonlaufen.
    Er versucht, dieses dumme Gefühl für sich zu behalten, es vor allen anderen geheim zu halten. Er weiß, daß es nicht zu dem Bild paßt, daß sie sich von ihm machen: Siegmund, der kühle Kunde; Siegmund, der Mann des Erfolgs; Siegmund, dem schon an der Wiege gesungen wurde, daß er nach Louisville gehen würde; Siegmund, der mit Stolz die schönsten Frauen nimmt, die Urbmon 116 ihm zu bieten hat.
    Wenn sie nur wüßten. Darunter der verletzbare Junge, darunter der schüchterne, unsichere Siegmund, der Angst hat, weil er zu schnell nach oben kommt, der sich gegenüber sich selbst für seinen

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