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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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Er war so überrascht und ergriff so behende die Gelegenheit, daß ich einen Augenblick lang das Gefühl hatte, wirklich wie ein Idiot zu handeln; vielleicht könnte man ihm mit einigen dialektischen Argumenten die ganze Sache ausreden. Aber ich konnte mich nicht dazu aufraffen; mein Selbstvertrauen als Guru war dahin. Der junge Mann kam von der Tür zurück und schüttelte mir feierlich die Hand. Dann stürzte er davon; er sah tatsächlich schon etwas weniger unrasiert aus.
    Dies war das Ende meiner Karriere im Hause Ullstein und der Beginn von sieben mageren Jahren. Ich war darauf vorbereitet gewesen, meine Stellung für die Partei zu opfern; aber nicht auf eine so idiotische Art und Weise. Es war gleichzeitig auch das Ende meiner Verbindung mit dem Apparat. Da ich meine Nützlichkeit für ihn eingebüßt hatte, und zwar auf eine Weise, die meine völlige Unbrauchbarkeit für diese Art von Arbeit bewies, ließ man mich ohne Umschweife fallen. Ich habe Edgar oder Paula nie wiedergesehen. Paula wurde, wie ich später erfuhr, von den Nationalsozialisten in Ravensbrück umgebracht; Edgars richtiger Name und sein weiteres Schicksal sind mir bis auf den heutigen Tag unbekannt geblieben.
    Die Art, in der man mich bei Ullstein hinauswarf, kann als ziemlich anständig oder als Musterbeispiel bourgeoiser Heuchelei bezeichnet werden, es kommt auf den Gesichtswinkel an. Nachdem v. E. gegangen war, um seinen acht Seiten langen Brief abzugeben, erwartete ich jeden Augenblick zum Verlagsrektor Müller gerufen zu werden. Ich hatte meine Verteidigung vorbereitet: jawohl, ich hätte den Jungen gebeten, mir politischen Klatsch zu erzählen; jawohl, ich hatte diese Mitteilungen gelegentlich an Freunde in der KPD weitererzählt; was, zum Teufel, war dagegen einzuwenden? Ein jeder diskutierte über Politik und klatschte mit seinen Freunden; meine politischen Ansichten gingen den Verlag nichts an, solange sie nicht mit der Ausübung meiner beruflichen Pflichten in Konflikt gerieten usw. usw. Diese Taktik hatte Edgar vorgeschlagen; es klang alles so plausibel, daß ich, nachdem der erste Schock der Szene mit v. E. vorüber war, ungeduldig auf die bevorstehende Auseinandersetzung wartete, in der Überzeugung, das unschuldige Opfer politischer Verfolgung zu sein. Wenn man im Zwielicht eines Tiefsee-Aquariums lebt, ist es schwierig, Sein und Schein zu unterscheiden.
    Es vergingen jedoch mehrere Tage, ohne daß etwas geschah. Dann fand ich eines Morgens, ungefähr zehn Tage nach der Szene mit v. E., auf meinem Schreibtisch einen Brief des Verlages vor. Darin wurde mir sehr höflich mitgeteilt, daß man mit Rücksicht auf die durch die Wirtschaftskrise unvermeidlich gewordenen redaktionellen Einschränkungen etcetera, etcetera auf meine weitere Mitarbeit in der Redaktion verzichten müsse. Es bleibe mir überlassen, ob ich für die Ullstein-Blätter weiter als freier Mitarbeiter mit einer monatlichen Garantie schreiben oder eine Pauschalsumme zur Abdeckung der für den Rest meines Fünfjahres-Vertrages noch ausstehenden Gehälter empfangen wollte. Kein einziges Wort über v. E., über die Kommunistische Partei oder über einen Vertrauensbruch. Dem Verlag war anscheinend daran gelegen, einen Skandal zu verhüten. Die Partei hatte denselben Wunsch, denn Edgar instruierte mich, die Abfindung zu akzeptieren und die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Das war meine letzte Unterredung mit Edgar; ich sah ihn nie wieder.
     
     
    Flitterwochen mit der Partei
     
    Nach dem Verlust meiner Stellung war ich endlich von allen Fesseln der bürgerlichen Welt befreit. Die mir vom Verlag gezahlte Abfindung schickte ich meinen Eltern; sie reichte aus, um sie für zwei oder drei Jahre zu versorgen, wodurch ich bis zum unausbleiblichen Sieg der Revolution und dem Beginn der neuen Ara aller Verpflichtungen entledigt war. Zweihundert Mark behielt ich für mich, um die Fahrkarte nach Rußland bezahlen zu können, falls mir die Partei die Erlaubnis zum Emigrieren geben sollte. Ich gab meine Wohnung in dem teueren Westend auf und zog in ein Miethaus am Bonner Platz, das hauptsächlich von mittellosen linkeradikalen Künstlern bewohnt wurde und als der „Rote Block" bekannt war. Die drei Monate, die ich dort verbrachte, stellen die glücklichste Periode in den sieben Jahren meiner Parteimitgliedsduft dar.
    Nachdem ich meine Nützlichkeit für den Apparat verloren hatte, bestanden keine Bedenken mehr dagegen, daß ich in eine Zelle eintrat und das volle Leben

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