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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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(des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale) in Moskau vorstand. Das EKKI wiederum versah mich mit einem sogenannten „starken" Brief, in dem alle sowjetischen Behörden ersucht wurden, mir bei der Erfüllung meiner Aufgabe als „Delegierter der revolutionären proletarischen Schriftsteller Deutschlands" beizustehen.
    Ein Brief dieser Art hat in Sowjetrußland das Gewicht eines Staatserlasses. Er setzte mich instand, ohne Führer durch das Land zu reisen, Eisenbahnfahrkarten ohne Anstehen, Übernachtungsgelegenheiten in den Gästehäusern der Regierung und Mahlzeiten in den für Staatsbeamte reservierten Restaurants zu erhalten. Er machte es mir weiterhin möglich, alle meine Reiseunkosten zu decken und am Ende meines Aufenthaltes in der Sowjetunion noch mehrere tausend Rubel übrig zu behalten. Das ging auf folgende Art vor sich:
    Wenn ich in einer Provinzhauptstadt ankam, sagen wir in Tiflis, ging ich zur örtlichen Schriftstellervereinigung, wo ich mein Schreiben von der Komintern hervorholte. Der Sekretär der Vereinigung arrangierte daraufhin die üblichen Bankette und Zusammenkünfte mit politischen Führern und Intelligenzlern, beauftragte jemanden, sich um mein Wohlbefinden zu kümmern, und brachte mich mit dem Chefredakteur der örtlichen Literaturzeitschrift und dem Direktor der staatlichen Verlagsgesellschaft zusammen – in diesem Falle also dem Verlagstrust der Georgischen Sowjetrepublik. Der Chefredakteur versicherte mir, es sei seit Jahren sein teuerster Wunsch gewesen, eine Erzählung von mir abzudrucken. Ich überreichte ihm daraufhin das Manuskript einer Novelle, die einige Zeit vorher in Deutschland veröffentlicht worden war, und erhielt am selben Tage einen Scheck über zwei- oder dreitausend Rubel ins Hotel geschickt. Der Direktor des staatlichen Verlagstrustes bat mich um das Privileg, eine georgische Übersetzung meines in Vorbereitung befindlichen Buches herausgeben zu dürfen; ich unterschrieb ein vorgedrucktes Vertragsformular und erhielt einen weiteren Scheck über drei- oder viertausend Rubel. (Der durchschnittliche Verdienst eines Lohnempfängers betrug damals 130 Rubel im Monat.) Auf diese Weise verkaufte ich dieselbe Erzählung an acht bis zehn verschiedene Literaturzeitschriften von Leningrad bis Taschkent, und verkaufte außerdem die russischen, deutschen, ukrainischen, georgischen und armenischen Rechte auf mein noch ungeschriebenes Buch gegen Vorschüsse, die sich auf eine erhebliche Summe beliefen. Da ich hierzu offiziell ermuntert wurde und andere Schriftsteller dasselbe taten, konnte ich von ganzem Herzen bestätigen, daß Sowjetrußland das Paradies der Schriftsteller sei und daß der schöpferische Künstler nirgendwo sonst in der ganzen Welt besser bezahlt oder höher geschätzt werde. Und da die menschliche Natur nun einmal so ist, kam es mir niemals in den Sinn, daß ich die Verträge und die Barvorschüsse nicht auf Grund meines literarischen Rufes, sondern aus ganz anderen Gründen erhalten haben mußte .
     
     
    Schmiergelder
     
    Ich hatte damals noch kein einziges Buch veröffentlicht; mein Name war denen, die so bereitwillig für eine noch ungelesene Erzählung und ein ungeschriebenes Buch in bar bezahlten, völlig unbekannt. Aber das tat nichts; sie waren Staatsbeamte, die einem Befehl gehorchten. In einem Lande, wo sämtliche Veröffentlichungen dem Staat gehören, sind alle Redakteure, Verleger und literarischen Kritiker ipso facto Angestellte des Staates. Sie bekränzen einen Schriftsteller mit Lorbeer oder würgen ihn ab, je nachdem, wie der Befehl von oben lautet. Die Staatsverleger tun dies, indem sie riesige Auflagen seines neuen Buches drucken oder seine Werke einstampfen lassen; die Staatskritiker, indem sie ihn zu einem neuen Tolstoi oder einem kosmopolitischen Ungeziefer stempeln, oder auch, in einem Abstand von wenigen Monaten, zu beidem.
    Der ausländische Durchschnittsautor, der in Sowjetrußland zu Besuch weilt, weiß von all dem nur recht wenig; und das Wenige, was ihn seine Intuition vielleicht vermuten läßt, wird ihn seine Eitelkeit schnell vergessen machen. Die Leute, die er auf Banketten und Gesellschaften trifft, scheinen seine Werke auswendig zu kennen; er müßte ein Masochist mit einem Anflug von Verfolgungswahn sein, um zu erraten, daß sie für diese Gelegenheit besonders präpariert worden sind. Der Staatliche Verlagstrust bietet ihm einen Vertrag für sein nächstes Buch an samt einem Vorschuß in Höhe der Tantiemen für

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