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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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Wunderland-Kroquett gegen sich selbst gespielt hat, fast unmöglich zu erklären.
     
     
    Geburt der „Volksfront"
     
    Mein Glaube war schwer erschüttert worden, doch dank der elastischen Stoßdämpfer wurde ich mir nur sehr langsam dieser Erschütterung bewußt. Eine Reihe von äußeren Ereignissen und inneren Rationalisierungen erleichterte es mir, weiter mitzumachen, und verzögerte den endgültigen Zusammenbruch meines Glaubens.
    Das wichtigste dieser äußeren Ereignisse war der VII. Weltkongreß der Komintern im Jahre 1934, der eine neue Politik, eine vollkommene Negation der bisherigen Parteilinie einleitete – die jedoch wie immer durch dieselben Führer in die Tat umgesetzt werden sollte. Alle revolutionären Schlagworte, alle Hinweise auf den Klassenkampf und die Diktatur des Proletariats wurden mit einem gewaltigen Schwung in die Rumpelkammer gekehrt. Ihre Stelle nahm eine nagelneue Fassade mit Blumenkasten in den Fenstern ein, die „Volksfront gegen den Krieg und Faschismus". Ihre Türen sollten allen, die guten Willens waren, weit geöffnet sein – ganz gleich, ob es sich um Sozialdemokraten, Katholiken, Konservative oder Nationalisten handelte. Die Behauptung, daß wir jemals Revolution und Gewalt befürwortet hätten, wurde von nun an mit Entrüstung geleugnet, lächerlich gemacht, als eine von den reaktionären Kriegstreibern verbreitete Verleumdung gebrandmarkt. Wir nannten uns jetzt nicht mehr „Bolschewisten", nicht einmal Kommunisten – der öffentliche Gebrauch dieser Worte galt jetzt in der Partei als anrüchig; wir waren einfache, ehrliche, friedliebende Antifaschisten und Verteidiger der Demokratie. Während der Bastille-Feier im Juli 1935 umarmte der alte kommunistische Parteiführer Marcel Cachin in der Salle Bullier in Paris das sozialfaschistische Reptil 1..6on Blum und küßte es auf beide Wangen im Beisein einer vieltausendköpfigen begeisterten Menge. Die Hälfte der Menge weinte, die andere Hälfte sang die „Marseillaise" und hinterher die Internationale. Endlich, endlich war die Arbeiterklasse wieder vereinigt. Bei den Wahlen 1936 in Spanien und Frankreich erzielte die Volksfront überwältigende Siege.
    All dies ging natürlich unmittelbar auf den Kurswechsel in der sowjetischen Außenpolitik zurück: auf Sowjetrußlands Eintritt in den Völkerbund, den Sieg der Politik Litwinows, auf die Militärabkommen mit Frankreich und der Tschechoslowakei. Und wiederum überzieht sich für die Rückwärtsblickenden die Erinnerung an diese Tage der Volksfront mit einem dunklen Schatten, dem Schatten des späteren Wissens um die zynische Unaufrichtigkeit hinter der Fassade und ihre bitteren Folgen. Dennoch strahlte ihrerseits die Volksfront die warme Anziehungskraft und die intensive „Mystik" einer jungen Massenbewegung aus. Für mich war diese Zeit ein zweiter Honigmond mit der Partei.
     
     
    Meine Übersiedlung nach Paris
     
    Während meines Aufenthaltes in Sowjetrußland war Hitler in Deutschland an die Macht gelangt; so siedelte ich denn im Herbst 1933 zu meinen Parteifreunden im Pariser Exil über. Der ganze „Rote Block", mit Ausnahme der von der Gestapo verhafteten Genossen, hatte sich hier in den kleinen Hotels auf dem linken Seineufer versammelt. Die nächsten fünf Jahre waren Hungerjahre, erfüllt mit fieberhafter politischer Tätigkeit. Ihr Mittelpunkt und Dynamo war Willi Münzenberg, Leiter des Agitprop der Komintern für Westeuropa und Deutschland. Er war ein zäher, untersetzter Mann von proletarischer Herkunft, eine magnetische Persönlichkeit von einer ungeheuren, mitreißenden Vitalität und einem unsentimentalen verführerischen Charme. Er brach im Jahre 1938 mit den Komintern, sechs Monate nachdem ich selbst mit ihr gebrochen hatte, und wurde im Sommer 1940 unter den üblichen mysteriösen Umständen ermordet; wie fast immer in solchen Fällen sind die Mörder unbekannt, doch die Indizien weisen alle in dieselbe Richtung wie die Magnetnadel nach dem Pol.
    Willi war die „Rote Eminenz" der internationalen antifaschistischen Bewegung. Er organisierte den Reichstags-Gegenprozeß – die öffentlichen Untersuchungen in Paris und London im Jahre 1933, die zum erstenmal die Aufmerksamkeit der Welt auf die ungeheuerlichen Vorgänge im Dritten Reich lenkten. Dann kam die Serie der Braunbücher, eine Flut von Broschüren und Emigrantenzeitungen, die von ihm finanziert und geleitet wurden, obwohl sein Name nirgends offen in Erscheinung trat. Er rief internationale

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