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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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Meine Art zu schreiben war eben meine Art zu sehen, meine Art zu leben, meine Art zu fühlen; und wer konnte wohl seine Augen, seine ganze Einstellung, seine Empfindungen ändern?
     
     
    8
     
    Das Frühjahr 1935 kam heran, und die Pläne für den Schriftstellerkongreß nahmen mehr Gestalt an. Aus irgendeinem finstern Grunde – mag sein, daß man mich „retten" wollte – wurde ich von den örtlichen Kommunisten zur Teilnahme gedrängt und wurde zum Delegierten ernannt. Ich erhielt Urlaub von meiner Tätigkeit bei dem Jungenklub und trampte, zusammen mit verschiedenen anderen Delegierten, nach New York.
    Wir kamen spätnachmittags an und trugen uns als Teilnehmer für die Kongreßsitzungen ein. Das eröffnende Massentreffen fand in der Carnegie Hall statt. Ich erkundigte mich über die Unterkünfte, und die Mitglieder des New Yorker John Reed Clubs , allesamt weiße Parteimitglieder, sahen sich verlegen an. Ich wartete, während ein weißer Kommunist einen anderen weißen Kommunisten zur Seite rief und mit ihm beriet, was man tun könnte, Um mich, einen schwarzen Kommunisten aus Chicago, unterzubringen. Auf der Fahrt hatte ich nicht daran gedacht, daß ich ein Neger war; ich hatte über die Probleme der jungen linksradikalen Schriftsteller nachgebrütet, die ich kannte. Als ich jetzt dastand und zusah, wie ein weißer Genosse ganz außer sich mit einem anderen über meine Hautfarbe redete, hatte ich ein ekelhaftes Gefühl. Der weiße Genosse kam zurück.
    „Nur einen Augenblick, Genosse", sagte er zu mir. „Ich werde eine Unterkunft für dich finden."
    „Aber habt ihr denn nicht bereits Unterkünfte?" fragte ich. „Derlei Dinge werden doch vorher geregelt."
    „Ja", gab er in vertraulichem Tone zu. „Wir haben einige Adressen hier, aber wir kennen die Leute nicht. Du verstehst, nicht wahr?"
    „Ja, ich verstehe", sagte ich zähneknirschend.
    „Aber warte nur eben eine Sekunde", sagte er und faßte mich beruhigend beim Arm. „Ich werde etwas finden."
    „Hör mal, du brauchst dir keine Mühe zu geben", sagte ich und suchte dabei keinen Zorn in meiner Stimme durchklingen zu lassen.
    „0 nein", sagte er, entschieden den Kopf schüttelnd. „Ich werde das Problem schon lösen."
    „Es sollte kein Problem sein." Ich konnte diese Bemerkung nicht unterdrücken.
    „Oh, so hatte ich es nicht gemeint", fing er sich wieder.
    Ich fluchte in mich hinein. Mehrere Leute in der Nähe beobachteten, wie ein weißer Kommunist für einen schwarzen Kommunisten ein Plätzchen zum Schlafen zu finden suchte. Ich brannte vor Scham. Ein paar Minuten später kam der weiße Kommunist schwitzend und aufgeregt dreinblickend zurück.
    „Hast du etwas gefunden?" fragte ich.
    „Nein, noch nicht”, sagte er keuchend. „Einen Augenblick noch. Ich werde jemanden anrufen, den ich kenne. Gib mir doch eben mal einen Nickel für das Telephon, ja?"
    „Laß nur", sagte ich. Ich fühlte, wie mir die Knie weich wurden. „Ich werde eine Schlafstelle finden. Aber ich möchte meinen Koffer gern irgendwo unterstellen, bis nach der Sitzung heute abend."
    „Meinst du wirklich, daß du eine Unterkunft finden kannst?" fragte er, bemüht darum, die verzweifelte Hoffnung in seiner Stimme nicht durchhören zu lassen.
    „Natürlich kann ich das", sagte ich.
    Er war noch immer nicht ganz sicher. Er wollte mir gern helfen, wußte aber nicht wie. Er schloß meine Reisetasche in einen Schrank ein, und ich trat auf den Bürgersteig hinaus und überlegte, wo ich wohl in dieser Nacht schlafen könnte. Da stand ich auf den Straßen New Yorks, mit meiner schwarzen Haut und so gut wie ohne Geld, völlig in Anspruch genommen, aber nicht etwa von den brennenden Fragen der linksgerichteten Literaturbewegung in den Vereinigten Staaten, sondern von dem Problem, wie ich wohl zu einem Bad kam. Ich legte meine Beglaubigungsschreiben in Carnegie Hall vor. Das Gebäude war voller Menschen. Als ich den kriegerischen Reden lauschte, ertappte ich mich bei der Überlegung, weshalb, zum Teufel, ich eigentlich gekommen war.
    Ich trat in einen Seitengang hinaus und stand dort, die Gesichter der Leute prüfend betrachtend. Schließlich traf ich ein Chicagoer Klubmitglied.
    „Hast du noch keinen Platz gefunden?" fragte er.
    „Nein", sagte ich. „Ich würde es gern mit einem der Hotels versuchen, aber ich bin, weiß Gott, nicht in der Stimmung, mit einem Hotelportier eine Auseinandersetzung wegen meiner Hautfarbe zu bekommen."
    „Ach du liebe Zeit! Na, wart mal eine Minute",

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