Ein Gott der keiner war (German Edition)
Kommunistischen Partei einer „gegen die Führung gerichteten Einstellung", „versöhnlerischer Haltung" und „ideologischer Abweichungen" beschuldigt – es verschlug mir den Atem, als ich diese völlig aus der Luft gegriffenen Wendungen hörte. Und es ging ein Gerücht, daß auch ich ähnliche Anschuldigungen zu gewärtigen hätte. Man glaubte, daß ich von Ross politisch beeinflußt worden sei.
Eines Abends kam eine Gruppe schwarzer Genossen zu mir und befahl mir, mich von Ross fernzuhalten.
„Aber warum nur?" wollte ich wissen.
„Er ist ein ungesundes Element", sagten sie. „Kannst du einen Entscheid nicht hinnehmen?"
„Ist es ein Beschluß der Kommunistischen Partei?"
„Ja", sagten sie.
„Wenn ich mir irgend etwas hätte zuschulden kommen lassen, würde ich mich dazu verpflichtet fühlen, diesem Beschluß nachzukommen", sagte ich. „Aber ich habe nichts verbrochen."
„Genosse, du begreifst nicht", sagten sie. „Parteimitglieder mißachten die Beschlüsse der Partei nicht"
„Aber dieser Beschluß betrifft mich gar nicht", sagte ich. „Und ich werde auch, verdammt noch mal, nicht so handeln, als ob er es täte."
„Deine Einstellung ist in unsern Augen nicht sehr vertrauenswürdig", sagten sie.
Ich war wütend.
„Seht euch das an", fuhr ich auf, indem ich mich erhob und meine Arme über die kahle Dachstube hinfegen ließ, in der ich lebte. „Was gibt es hier, das euch beunruhigen könnte? Ihr wißt, wo ich arbeite. Ihr wißt, was ich verdiene. Ihr kennt meine Freunde. Was also habt ihr um Himmels willen einzuwenden?"
Sie gingen mit einem finsteren Lächeln, dem ich entnahm, daß ich bald wissen würde, was sie einzuwenden hatten.
Aber es gab aufmunternde Ablenkung von dieser politischen Spiegelfechterei. Ich fand, daß meine Arbeit im Jungenklub mich zutiefst in Anspruch nahm. Täglich kamen schwarze Burschen von acht bis fünfundzwanzig Jahren, um dort zu schwimmen, zu zeichnen und zu lesen. Es war ein verwildertes und heimatloses Pack, ohne kulturellen oder geistigen Rückhalt, Kandidaten für die Kliniken und Leichenschauhäuser, für die Gefängnisse, Besserungsanstalten und den elektrischen Stuhl in der staatlichen Todeszelle. Stundenlang lauschte ich ihren Unterhaltungen über Flugzeuge, Weiber, Waffen, Politik und Verbrechen. Ihre Ausdrucksweise war kräftig und farbig wie nur irgendeine unter englischsprechendem Volk. Ich hatte ständig Bleistift und Papier in der Tasche, um ihre Kraftausdrücke und schlagfertigen Antworten rasch aufschreiben zu können. Diese Burschen hatten nicht so viel Angst vor Menschen, daß sie in jedem einen Spion sahen. Jene Kommunisten, die meinen Motiven mißtrauten, kannten diese Jungen nicht, nicht ihr gänzlich verbogenes Traumleben, nicht das ihnen allzu deutlich vorgezeichnete Schicksal; und ich zweifelte daran, daß ich je imstande sein würde, ihnen etwas von der Tragödie zu übermitteln, die ich hier vor mir sah.
7
Parteipflichten unterbrachen mein Mühen um dichterischen Ausdruck. Der Klub beschloß eine Konferenz aller linksgerichteten Schriftsteller aus dem Mittelwesten. Ich unterstützte diesen Gedanken und schlug vor, daß die Konferenz sich mit beruflichen Problemen beschäftigen solle. Meine Vorschläge wurden aber abgelehnt. Die Konferenz, so bestimmte der Klub, würde sich mit politischen Fragen befassen. Ich bat um eine genaue Erklärung dessen, was von den Schriftstellern erwartet würde – Bücher oder politische Aktivität. Beides, war die Antwort. Einige Stunden am Tage schreiben und in der übrigen Zeit als Streikposten arbeiten.
An der Konferenz nahm ein führender Kommunist als Berater teil. Die Frage, über die man debattierte, lautete: Was erwartet die Kommunistische Partei von dem Klub? Die Antwort des Kommunistenführers war: alles vom Organisieren bis zum Romaneschreiben. Ich wandte ein, daß ein Mensch entweder organisiere oder Romane schreibe. Der Parteiführer sagte jedoch, daß man beides tun müsse. Diese Einstellung trug den Sieg davon, und der Linksfront , für die ich so lange gearbeitet hatte, wurde durch Abstimmung ihr Weitererscheinen untersagt.
Ich erkannte jetzt, daß der Klub die längste Zeit bestanden hatte, und stand auf, um meine düstere Schlußprognose darzulegen, gleichzeitig mit dem Vorschlag, daß der Klub sich selbst auflösen solle. Mein „Defaitismus", wie man es nannte, trug mir die schärfste Mißbilligung des Parteiführers ein. Die Konferenz endete mit der Annahme einer
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