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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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beim Fürsten Sokolskij.«
    »Nein, das war ich nicht, nein, du hast nicht mich gesehen …«
    Ich fragte nicht weiter, und wir gingen etwa zehn Schritte weiter. Plötzlich brach Lisa in schallendes Gelächter aus.
    »Mich, mich, natürlich hast du mich gesehen! Hör mal, du hast mich doch gesehen! Du hast mir doch in die Augen gesehen, und ich habe dir auch in die Augen gesehen. Wie kannst du mich noch fragen, ob ich es gewesen wäre? Hast du einen Charakter! Weißt du, ich habe furchtbar mit dem Lachen kämpfen müssen, als du mir in die Augen starrtest, du hast furchtbar komisch ausgesehen.«
    Sie schüttelte sich vor Lachen. Da spürte ich, wie der ganze Druck von meinem Herzen wich.
    »Aber sag mal, was hast du da gemacht?«
    »Ich war bei Anna Fjodorowna.«
    »Was für eine Anna Fjodorowna?«
    »Bei der Stolbejewa. Als wir in Luga wohnten, verbrachte ich bei ihr ganze Tage; sie hat auch Mama bei sich empfangen und sogar selbst uns besucht. Sonst hat sie dort fast keine Besuche gemacht. Sie ist eine entfernte Verwandte von Andrej Petrowitsch und auch mit den Fürsten Sokolskij verwandt: so etwas wie eine Großmutter des Fürsten.«
    »Dann wohnt sie also beim Fürsten?«
    »Nein, der Fürst wohnt bei ihr.«
    »Aber wem gehört eigentlich die Wohnung?«
    »Ihr, die ganze Wohnung gehört ihr schon seit einem Jahr. Der Fürst ist eben angekommen und einstweilen bei ihr abgestiegen. Sie selbst ist auch erst seit vier Tagen in Petersburg.«
    »Ja, ja … weißt du, Lisa, Gott sei mit ihr und ihrer Wohnung …«
    »Nein, sie ist ein wunderbarer Mensch …«
    »Schön, Ehre, wem Ehre gebührt. Wir sind selbst wunderbar! Sieh dich um, was ist das heute für ein Tag! Sieh dich um, wie schön es ist! Und wie schön du heute bist, Lisa! Übrigens bist du noch ein richtiges Kind.«
    »Arkadij, was sagst du zu diesem jungen Mädchen, dem von gestern?«
    »Ach, was für ein Jammer, Lisa, was für ein Jammer!«
    »Ach, was für ein Jammer! Was für ein Schicksal! Weißt du, es ist sogar eine Sünde, daß wir so fröhlich dahingehen, während ihre Seele jetzt irgendwo durch die Finsternis fliegt, durch eine Finsternis ohne Grund, mit ihrer Sünde und mit dem Unrecht, das sie erlitten hat … Arkadij, wer trägt die Schuld an ihrer Sünde? Wie grauenhaft ist das alles! Denkst du manchmal an dieses Dunkel? Ach, wie ich den Tod fürchte, und wie sündhaft das ist! Ich liebe das Dunkel nicht. Dieses Sonnenlicht ist doch etwas ganz anderes! Mama sagt, es sei Sünde, sich zu fürchten … Arkadij, kennst du unsere Mama gut?«
    »Noch nicht gut genug, Lisa, noch zuwenig.«
    »Ach, was ist sie für ein Wesen; du mußt, du sollst sie kennenlernen! Man braucht für sie ein ganz besonderes Verständnis …«
    »Aber ich habe ja auch dich nicht gekannt und kenne dich doch jetzt schon ganz genau. In einer einzigen Minute habe ich dich kennengelernt und begriffen. Auch wenn du dich vor dem Tod fürchtest, bist du wahrscheinlich stolz, kühn und mutig. Du bist besser, viel besser als ich! Ich liebe dich ganz schrecklich, Lisa. Oh, Lisa! Mag der Tod kommen, wenn die Stunde schlägt, aber bis dahin soll man leben, leben! Laß uns diese Unglückselige beweinen, aber dennoch das Leben segnen, nicht wahr? Nicht wahr? Ich habe eine Idee, Lisa. Lisa, du weißt doch, daß Werssilow auf das Erbe verzichtet hat?«
    »Wie sollte ich das nicht wissen? Mama und ich sind uns schon um den Hals gefallen und haben uns geküßt.«
    »Du kennst meine Seele nicht, Lisa, du weißt nicht, was dieser Mensch für mich bedeutet …«
    »Wie sollte ich das nicht wissen, alles weiß ich!«
    »Alles? Na ja, doch, das kann gar nicht anders sein! Du bist klug; du bist klüger als Wassin. Du und Mama, ihr habt hellsichtige, menschenfreundliche Augen, ich meine, Ansichten, nicht Augen, ich habe mich vergaloppiert … In vielen Dingen tauge ich nichts, Lisa.«
    »Man muß dich an die Kandare nehmen, dann ist alles in Ordnung.«
    »Dann nimm mich doch an die Kandare, Lisa! Es tut richtig gut, dich heute anzusehen. Weißt du eigentlich, daß du bildhübsch bist? Ich habe bis jetzt noch nie deine Augen gesehen … Jetzt sehe ich sie zum ersten Mal. Woher hast du sie heute, Lisa? Hast du sie heute gekauft? Was hast du dafür bezahlt? Lisa, ich habe noch nie einen Freund gehabt und halte diese Idee überhaupt für Unsinn; aber mit dir wäre es kein Unsinn … Möchtest du, daß wir Freunde werden? Verstehst du, was ich meine? …«
    »Ich verstehe es sehr

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