Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
gewechselt hatte. Der Rock war übrigens keineswegs so übel, aber als ich mich nun beim Fürsten fand, erinnerte ich mich an Werssilows Vorschlag, mir neue Kleider machen zu lassen.
    »Stellen Sie sich vor, ich habe wegen einer Selbstmörderin die ganze Nacht angekleidet geschlafen«, bemerkte ich leichthin, und da er sich sofort interessiert zeigte, erzählte ich ihm in Kürze die ganze Geschichte. Aber ihn beschäftigte offensichtlich am meisten sein Brief. Vor allem wunderte ich mich, daß er nicht nur nicht gelächelt, sondern nicht einmal andeutungsweise reagiert hatte, als ich ihm vorhin unverblümt gestand, ich hätte ihn zum Duell fordern wollen. Wenn ich auch durchaus imstande gewesen wäre, ihm das Lachen auszutreiben, so war es doch bei einem Mann dieser Art absolut unüblich. Wir nahmen Platz, einander gegenüber, mitten im Zimmer, an seinem riesigen Schreibtisch, und er reichte mir zur Durchsicht seinen fertigen und schon ins reine geschriebenen Brief an Werssilow. Dieses Dokument ähnelte in allem, was er mir vorhin bei meinem Fürsten erzählt hatte: Es war sogar mit Wärme geschrieben. Was ich eigentlich von seiner sichtlichen Offenherzigkeit und Bereitwilligkeit gegenüber allem Guten halten sollte, habe ich damals, muß ich zugeben, noch nicht gewußt, aber ich begann, ihm nach und nach zu erliegen, denn, in der Tat, warum sollte ich ihm mißtrauen? Was für ein Mensch er auch sein mochte und was ihm auch alles nachgesagt wurde – er konnte trotzdem seine guten Neigungen haben. Ich habe auch Werssilows letzten Zettel, sieben Zeilen, zu sehen bekommen – den Verzicht auf die Forderung. Wiewohl er tatsächlich darin von seiner »Kleinmut« und seinem »Egoismus« schrieb, zeichnete sich dieser Zettel im Ganzen doch durch einen gewissen Hochmut aus … Besser gesagt, hinter dieser Haltung schimmerte eine gewisse Geringschätzung. Dies äußerte ich allerdings nicht.
    »Und wie sehen Sie seinen Verzicht?« fragte ich, »Sie glauben doch nicht, daß er kneift?«
    »Natürlich nicht.« Der Fürst lächelte, aber es war irgendwie sehr ernst, überhaupt, er wirkte zunehmend besorgter, »ich weiß nur zu gut, daß dieser Mann mutig ist. In diesem Fall handelt es sich um eine besondere Ansicht … um eine ganz eigene Disposition von Ideen …«
    »Ohne Zweifel«, unterbrach ich ihn eifrig. »Ein gewisser Wassin sagt, daß sein Verhalten mit diesem Schreiben und der Verzicht auf die Erbschaft als ein ›Sockel‹ zu verstehen sind … Meiner Meinung nach geschehen solche Dinge nicht zur Schaustellung, sondern entsprechen einem grundlegenden inneren Bedürfnis.«
    »Ich bin mit Herrn Wassin sehr gut bekannt«, bemerkte der Fürst.
    »Ach ja, Sie müssen ihn in Luga kennengelernt haben.«
    Wir sahen uns plötzlich an, und ich muß wohl, wie ich mich erinnere, flüchtig errötet sein. Jedenfalls brach er das Thema ab. Ich hätte allerdings die größte Lust gehabt, dieses Gespräch fortzusetzen. Der Gedanke an eine gewisse gestrige Begegnung verlockte mich dazu, ihm einige Fragen zu stellen, aber mir fiel nicht ein, wie ich damit anfangen sollte. Und überhaupt, es war mir nicht ganz geheuer zumute. Mich verblüffte ebenso seine erstaunliche Höflichkeit, seine ungezwungenen Manieren – mit einem Wort, der gesamte Schliff, der Ton, den sie fast von der Wiege an mitbekommen. In seinem Brief entdeckte ich zwei sehr grobe grammatische Fehler. Und überhaupt, bei solchen Begegnungen lasse ich mich niemals einschüchtern, sondern reagiere besonders schroff, was manchmal durchaus ein Fehler sein kann. Aber im vorliegenden Fall trug auch der Gedanke, daß mein Rock voller Bettfedern war, das Seine dazu bei, so daß ich mir sogar einen Fauxpas leistete und einen allzu familiären Ton anschlug … Ich hatte nämlich, ohne es zu zeigen, bemerkt, daß der Fürst mich hin und wieder sehr aufmerksam musterte.
    »Sagen Sie, Fürst«, platzte ich mit der Frage heraus, »finden Sie es im stillen nicht lächerlich, daß ich, noch ein richtiger Milchbart, Sie zum Duell fordern wollte, und das auch noch wegen der Beleidigung eines Fremden?«
    »Eine Beleidigung des Vaters kann durchaus als Beleidigung aufgefaßt werden. Nein, ich finde das nicht lächerlich.«
    »Aber mir kommt es entsetzlich lächerlich vor, von einem gewissen Gesichtspunkt aus … das heißt nicht von meinem eigenen, versteht sich. Zumal ich ein Dolgorukij bin und nicht ein Werssilow. Und wenn Sie mir jetzt nicht die Wahrheit sagen oder aus

Weitere Kostenlose Bücher