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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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gewesen war. Ich bat sie, Platz zu nehmen, und sah sie fragend an. Sie sagte kein Wort, sah mir nur gerade in die Augen und lächelte unterwürfig.
    »Kommen Sie vielleicht von Lisa?« Etwas Besseres fiel mir nicht ein.
    »Nein, einfach so, wenn’s beliebt.«
    Ich warnte sie, daß ich im nächsten Augenblick wegfahren müßte; sie antwortete abermals: Sie »komme einfach so« und werde gleich selbst weggehen. Plötzlich tat sie mir aus irgendeinem Grunde leid. Es sei bemerkt, daß sie von uns allen, von Mama und ganz besonders von Tatjana Pawlowna, viel Anteilnahme erfahren hatte, aber nachdem sie bei der Stolbejewa untergebracht war, hatten wir alle sie nach und nach vergessen, ausgenommen Lisa, die sie oft besuchte. Der Grund dazu lag, wie es scheint, in ihr selbst, weil sie die Eigenschaft hatte, sich zurückzuziehen und unauffällig zu verschwinden, ungeachtet all ihrer Unterwürfigkeit und ihres einschmeichelnden Lächelns. Mir persönlich mißfiel ihr Lächeln und auch ihre offensichtlich aufgesetzten Mienen, und ich dachte sogar eines Tages, daß sie ihrer Olja eigentlich nicht sonderlich nachtrauere. Diesmal aber tat sie mir aus irgendeinem Grunde leid. Und da, plötzlich, ohne ein Wort zu sagen, bückte sie sich, senkte die Augen, streckte beide Arme aus, legte sie um meine Taille und drückte das Gesicht auf meine Knie. Sie packte meine Hand, aber nicht, wie ich schon dachte, um sie zu küssen, sondern um sie an ihre Augen zu drücken, und auf einmal floß ein heißer Tränenstrom darauf. Ihr ganzer Körper zitterte vor Schluchzen, aber sie weinte lautlos. Mein Herz krampfte sich zusammen, obwohl ich mich gleichzeitig irgendwie ärgerte. Aber sie umschlang mich mit solchem Vertrauen, ohne meinen Unwillen im geringsten zu fürchten, ungeachtet dessen, daß sie mir eben so schüchtern und unterwürfig zugelächelt hatte. Schließlich begann ich, ihr gut zuzureden.
    »Arkadij Makarowitsch, mein Lieber … ich weiß nicht, was ich mit mir anfangen soll. Sobald es dämmert, kann ich es nicht mehr aushalten; sobald es dämmert, ist es mit mir zu Ende, es zieht mich einfach hinaus auf die Straße, in die Dunkelheit. Und was mich hinauszieht, ist vor allem das Träumen. Ein Traum ist in meinem Kopf geboren, daß ich – wenn ich auf die Straße trete – ihr plötzlich begegne; ich laufe herum und glaube, sie zu sehen. Das heißt, es sind andere, die da herumlaufen, ich aber bleibe absichtlich hinter ihrem Rücken und denke, das ist doch meine Olja? Und so denke und denke ich, und schließlich weiß ich gar nichts mehr und taumle nur unter dem Volk hin und her, und mir wird übel. Wie eine Betrunkene taumle ich, und manche schimpfen. Ich behalte alles für mich und gehe nirgends mehr hin. Aber wohin ich auch komme – überall wird es nur schlimmer. Vorhin bin ich an Ihrem Haus vorbeigegangen, da dachte ich: ‘Ich will es mal mit ihm versuchen; er hat doch ein so gutes Herz wie kein anderer und war auch damals dabei.’ Andrej Makarowitsch, nehmen Sie’s mir nicht übel, mir unnützem Weib; ich gehe gleich und gehe weiter …«
    Sie erhob sich plötzlich und hatte es sehr eilig. Ausgerechnet jetzt fuhr Matwej vor; ich nahm sie im Schlitten mit und setzte sie unterwegs vor der Wohnung der Stolbejewa ab.
    II
    In der allerletzten Zeit spielte ich Roulette bei Serschtschikow. Bis dahin hatte ich drei andere Häuser aufgesucht, immer mit dem Fürsten, der mich dort »einführte«. In einem dieser Häuser wurde vorwiegend Bank gehalten und um sehr bedeutende Einsätze gespielt. Aber dort fühlte ich mich nicht wohl: Ich habe gesehen, daß man sich dort nur mit viel Geld wohl fühlen konnte, und außerdem versammelten sich dort viel zu viele dreiste Spieler und die »goldene« Jugend der großen Welt. Gerade das liebte der Fürst; denn er liebte nicht nur das Spiel, sondern auch den Umgang mit solchen Draufgängern. Mir fiel auf, daß er an diesen Abenden manchmal mit mir zusammen hineinging, aber im Laufe des Abends sich von mir zurückzuziehen pflegte und mich mit keinem aus »seinen Kreisen« bekannt machte. Ich für mein Teil benahm mich wie ein Wilder, so weit, daß ich allgemein auffiel. Am Spieltisch war es unumgänglich, sogar ein paar Worte mit irgend jemand zu wechseln; aber einmal hatte ich versucht, am nächsten Tag, in denselben Räumen, einen dieser Schnösel zu grüßen, neben dem ich am Vorabend gesessen und mit dem ich nicht nur gesprochen, sondern auch gelacht und ihm sogar zwei Karten genannt

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