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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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die nicht kicherten. Der schwarze Backenbart grinste ebenfalls; er ließ mich nicht aus den Augen und hörte zu.
    »Meine Herrschaften«, ich zitterte von Kopf bis Fuß, »ich werde Ihnen meine Idee um keinen Preis verraten, aber ich möchte eine Gegenfrage an Sie richten, von Ihrem Standpunkt aus, denken Sie ja nicht von meinem, denn ich liebe möglicherweise die Menschheit tausendmal mehr als Sie alle zusammengenommen! Sagen Sie – jetzt müssen Sie mir unbedingt antworten, Sie sind dazu verpflichtet, weil Sie lachen – sagen Sie: Womit können Sie mich verlocken, Ihnen zu folgen? Sagen Sie, wie wollen Sie mir beweisen, daß es bei Ihnen besser sein wird? Was werden Sie mit dem Protest meiner Persönlichkeit in Ihrer Kaserne anstellen? Ich habe mir schon lange gewünscht, Ihnen zu begegnen, meine Herrschaften! Bei Ihnen wird es Kasernen geben, Gemeinschaftswohnungen, stricte nécessaire , Atheismus und gemeinsame Frauen ohne Kinder – das ist Ihr Finale, ich weiß es doch. Und für den kleinsten Teil eines durchschnittlichen Vorteils, den mir Ihre Vernünftigkeit garantiert, für einen Bissen und etwas Wärme fordern Sie meine gesamte Persönlichkeit ein! Gestatten Sie: Jemand wird mir dort meine Frau wegnehmen; wie wollen Sie dann meine Persönlichkeit bändigen, damit ich meinem Rivalen nicht den Schädel einschlage? Sie werden sagen, daß ich dann selbst vernünftiger sein werde; aber meine Frau, was wird die über ihren so vernünftigen Gatten sagen, wenn sie sich selbst achtet? Das wäre doch unnatürlich; Sie müßten sich doch schämen!«
    »Sie sind wohl Spezialist in puncto Frauen?« ließ sich die schadenfrohe Stimme der Null vernehmen.
    Einen Augenblick lang überkam mich der Wunsch, mich auf ihn zu stürzen und ihn mit Fäusten zu traktieren. Er war nicht besonders groß, rothaarig und mit Sommersprossen … übrigens, zum Teufel mit seinem Äußeren!
    »Keine Sorge, ich habe noch nie etwas mit einer Frau gehabt.« Ich wandte mich zum ersten Mal an ihn, und zwar mit schneidender Kälte.
    »Eine Mitteilung von Wert, die aus Rücksicht auf die anwesenden Damen höflicher hätte ausfallen sollen!«
    Aber plötzlich entstand eine allgemeine Bewegung; alle suchten ihre Hüte und wollten aufbrechen – natürlich nicht meinetwegen, sondern weil es Zeit war; aber das allgemeine Schweigen mir gegenüber beschämte und bedrückte mich. Ich sprang ebenfalls auf.
    »Gestatten Sie mir dennoch, Sie nach Ihrem Namen zu fragen; Sie haben mich immer wieder angesehen?« Plötzlich stand der Lehrer vor mir, mit einem niederträchtigen Lächeln.
    »Dolgorukij.«
    »Fürst Dolgorukij?«
    »Nein, einfach Dolgorukij, Sohn des ehemaligen Leibeigenen Makar Dolgorukij und Bastard meines ehemaligen Gutsherrn, Herrn Werssilow. Machen Sie sich nichts daraus, meine Herren, ich sage es keineswegs zu dem Zweck, daß Sie mir auf der Stelle um den Hals fallen und daß wir alle wie die Kälber vor Rührung flennen!«
    Eine schallende und vollkommen rücksichtslose Lachsalve weckte das hinter der Tür schlafende Kind, es weinte. Ich bebte vor Wut. Alle drückten Dergatschow die Hand und verließen nacheinander den Raum, ohne mir die leiseste Beachtung zu schenken.
    »Gehen wir«, es war Kraft, der mich anstieß.
    Ich trat vor Dergatschow, drückte ihm mit aller Kraft die Hand und schüttelte sie ebenso kräftig.
    »Entschuldigen Sie, daß Kudrjumow«, (der Rothaarige), »Ihnen so zugesetzt hat«, sagte Dergatschow zu mir.
    Ich folgte Kraft. Ich fühlte mich kein bißchen geniert.
    VI
    Natürlich ist der Unterschied zwischen meinem heutigen und meinem damaligen Ich einfach unermeßlich.
    Indem ich mich immer noch »kein bißchen geniert« fühlte, holte ich Wassin auf der kleinen Vortreppe ein, ließ Kraft (als zweitrangig) weitergehen und fragte mit völlig unbekümmerter Miene, als wäre nichts vorgefallen:
    »Sie belieben, glaube ich, mit meinem Vater bekannt zu sein, das heißt, ich wollte sagen, mit Werssilow?«
    »Bekannt bin ich mit ihm eigentlich nicht«, antwortete Wassin sofort (und ohne einen Anflug jener kränkenden Überhöflichkeit, in die feinfühlige Menschen gern verfallen, wenn sie mit jemand sprechen, der sich gerade blamiert hat), »aber ich kenne ihn flüchtig; wir sind uns einige Male begegnet, und ich habe ihn reden gehört.«
    »Wenn Sie ihn reden gehört haben, so müssen Sie ihn auch kennen, denn Sie sind – Sie! Was denken Sie von ihm? Entschuldigen Sie meine unverblümte Frage, aber ich muß es

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