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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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macht, daß er aber groß – oh, ganz groß ist! Natürlich bewährte sich die Vorbereitung bei Andronikows für mein Verständnis, aber es war auch Ihr Spiel, Andrej Petrowitsch! Ich sah zum ersten Mal ein Schauspiel! Nach dem Aufbruch der Gäste, als Tschatzkij ausruft: ›Den Wagen mir, den Wagen!‹ (und Sie riefen das ganz wundervoll), sprang ich vom Stuhl auf, klatschte mit dem ganzen Saal, der von Applaus dröhnte, und schrie aus Leibeskräften: ›Bravo!‹ Ich erinnere mich lebhaft, daß ich im selben Augenblick, ›unterhalb des Gürtels‹, ein wütendes Zwicken Tatjana Pawlownas spürte, wie einen Nadelstich, aber ich schenkte ihm nicht die geringste Aufmerksamkeit! Es versteht sich, daß Tatjana Pawlowna mich nach ›Verstand schafft Leiden‹ sofort nach Hause brachte: ›Du wirst doch nicht zum Tanzen bleiben, und deinetwegen kann ich das auch nicht‹, zischten Sie, Tatjana Pawlowna, mir während der ganzen Fahrt ins Ohr. Die ganze Nacht habe ich gefiebert, und am nächsten Tag, um zehn Uhr, stand ich schon vor dem Kabinett, aber die Tür zum Kabinett war angelehnt: Sie hatten Besuch und hatten mit ihm geschäftlich zu verhandeln; dann fuhren Sie plötzlich aus, für den ganzen Tag, bis in die tiefe Nacht – so habe ich Sie nicht wiedergesehen! Was ich Ihnen eigentlich damals sagen wollte, habe ich natürlich vergessen und es wohl damals auch nicht gewußt, aber ich hatte den brennenden Wunsch, Sie möglichst bald wiederzusehen. Und am nächsten Morgen, in aller Frühe, gleich gegen acht, geruhten Sie nach Serpuchow abzureisen: Sie hatten damals gerade Ihr Tulaer Gut verkauft, um Ihre Gläubiger zufriedenzustellen, aber dennoch einen appetitlichen Happen in der Hand behalten, weshalb Sie damals auch zu einem Besuch in Moskau erschienen sind, wohin Sie bis dahin, aus Furcht vor den Gläubigern, nicht einen Fuß riskieren durften; und nun weigerte sich dieser Grobian in Serpuchow als einziger von den Gläubigern, sich mit der Hälfte der Summe statt mit der ganzen zufriedenzugeben. Tatjana Pawlowna gab sich nicht einmal die Mühe, meine Fragen zu beantworten: ›Das geht dich nichts an, ich werde dich übermorgen in dein Pensionat bringen; mach alles fertig, pack deine Hefte ein, bring deine Bücher in Ordnung, du mußt lernen, deinen Koffer selbst zu packen, Sie sollen nicht arbeitsscheu aufwachsen, mein Herr‹, und so weiter und so fort, ununterbrochen haben Sie mir das eingehämmert, Tatjana Pawlowna, in diesen drei Tagen! Und es endete damit, daß man mich ins Pensionat brachte, zu Touchard, mich, der in Sie verliebt und völlig unschuldig war, Andrej Petrowitsch, und mag es ein dummer Zufall gewesen sein, ich meine unsere ganze Begegnung, aber ob Sie mir glauben oder nicht, ich wollte doch ein halbes Jahr später von Touchard ausreißen und zu Ihnen fliehen!«
    »Du hast ausgezeichnet erzählt und mir alles lebendig in Erinnerung gebracht«, sagte Werssilow eigentümlich betont, »aber vor allem überrascht mich die Menge spezieller Details in deiner Erzählung, zum Beispiel über meine Schulden. Von einer gewissen Taktlosigkeit solcher Details abgesehen, ist es mir unbegreiflich: Wie bist du an sie auch nur herangekommen?«
    »Details? Wie ich an sie herangekommen bin? Aber ich kann nur wiederholen, daß ich nichts anderes getan habe, als an Details heranzukommen, die Sie betreffen, diese ganzen neun Jahre.«
    »Ein eigentümliches Geständnis und ein eigentümlicher Zeitvertreib!«
    Er wandte sich ab, in seinem Sessel halb liegend, und gähnte sogar leicht – ob absichtlich oder nicht, das weiß ich nicht.
    »Und nun, soll ich weitererzählen, wie ich von Touchard zu Ihnen fliehen wollte?«
    »Verbieten Sie es ihm, Andrej Petrowitsch, befehlen Sie ihm zu schweigen, und werfen Sie ihn hinaus.« Tatjana Pawlowna konnte sich nicht länger beherrschen.
    »Das geht nicht an, Tatjana Pawlowna«, antwortete ihr Werssilow eindringlich, »Arkadij hat offensichtlich etwas vor, folglich muß man ihm unbedingt die Möglichkeit geben, sich auszusprechen. Mag er doch! Er wird sich aussprechen, alles loswerden, und für ihn ist es das wichtigste, daß er es los wird. Beginne, mein Lieber, mit deiner neuen Geschichte, das heißt, ich nenne sie nur eine neue. Mach dir keine Sorgen, ich kenne ihr Ende.«
    IV
    »Geflohen bin ich, das heißt, ich wollte fliehen, zu Ihnen, auf die allereinfachste Weise. Tatjana Pawlowna, erinnern Sie sich, wie ich zwei Wochen nach meiner Unterbringung bei Touchard einen Brief

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