Ein guter Blick fürs Böse
Mann mit geringen finanziellen Mitteln schließen, doch er hatte über genügend Geld verfügt, um sich Bücher zu kaufen und seine Miete zu bezahlen. Erhielt er möglicherweise von irgendwo eine kleine Pension? Hatte er ein Einkommen aus einer geschickt angelegten Summe Geldes?
Ich verließ den Raum und überprüfte die restlichen Zimmer des ersten Ganges. Ein größerer Raum auf der nach hinten gelegenen Seite des Hauses war Mrs. Jamesons Schlafzimmer. Der Blick über den Hof war nicht weiter interessant, doch das Zimmer bot mehr Privatsphäre als ein straßenseitig gelegenes. Und vermutlich schien morgens die Sonne hinein. Ein Waschtisch mit Marmorplatte sah genauso aus wie der in Tapleys Zimmer.
Auf welchem Weg brachte Jenny morgens das heiße Wasser hoch? Am hinteren, im Schatten gelegenen Ende des Ganges endete meine Erkundungstour vor einer engen eisernen Wendeltreppe, die nach unten in die Küche zu führen schien. Falls Tapleys Mörder durch die Hintertür ins Haus gekommen war, hatte er wohl diese Treppe genommen, um ins Obergeschoss zu gelangen und auch wieder zu verschwinden.
Ich kehrte in den kleinen Salon zurück, wo Harper immer noch über dem Toten kniete. Er untersuchte methodisch den Oberkörper. Ich sah, wie er das Kinn des Toten umfasste und den Kopf ein Stück weit anhob. Dann setzte er sich auf die Hacken, ließ die Hände über den Knien baumeln und starrte gedankenverloren auf den armen Tapley. Ich zog mein Notizbuch hervor und fertigte eine Skizze mit sämtlichen im Raum befindlichen Möbeln sowie der genauen Position des Leichnams an. Dann zeichnete ich noch den Grundriss des Obergeschosses mit den beiden Zugangsmöglichkeiten vom Erdgeschoss. Ich war fast fertig, als Harper sich seufzend erhob.
»Nun, Inspector, Ihr Mann wurde durch mindestens zwei schwere Schläge auf den Hinterkopf getötet. Tatwaffe war der übliche stumpfe Gegenstand, ein Brecheisen zum Beispiel.« Sein Ton war sachlich.
»Ein Brecheisen ?«, rief ich aus. Hatten wir es also doch mit einem Einbrecher zu tun? Diese kurze massive Eisenstange gehörte zur Grundausstattung aller Einbrecher und diente zum gewaltsamen Öffnen von Fenstern, Türen, verschlossenen Truhen und so weiter. Unnötig zu sagen, dass es sich außerdem als nützliche Waffe verwenden ließ, falls der Einbrecher überrascht wurde. Heutzutage jedoch waren die Einbrecher vorsichtiger damit, da Diebstahl allein nicht mehr zu einer Verabredung mit dem Henker führte. Tapley war von schwächlicher Statur gewesen, und ein ordentlicher Stoß hätte gereicht, ihn außer Gefecht zu setzen. Ich runzelte die Stirn. Nein, nein, ein Einbrecher hätte sich nicht von einem ahnungslosen alten Gentleman irritieren lassen, der in seinem Sessel sitzend in einem Buch las. Die tödlichen Schläge hatten den Hinterkopf getroffen. Falls Tapley den Einbrecher gehört hatte und aufgesprungen war, um ihn zur Rede zu stellen, wäre er am Vorderschädel oder seitlich getroffen worden. Der Angreifer wäre anschließend geflüchtet. Andererseits, falls Tapley ihn nicht gehört hatte beim Öffnen der Tür und falls der Einbrecher Tapley völlig in sein Buch versunken vorgefunden hatte, so hätte er die Tür leise wieder geschlossen und sich davongemacht.
Constable Butcher hatte die Fenster im Erdgeschoss überprüft, was ich versäumt hatte, bevor ich zum Scotland Yard aufgebrochen war, und ich glaubte ihm, wenn er sagte, sie seien unversehrt. Butcher war ein Mann mit Erfahrung und sicherlich schon zu zahlreichen Einbrüchen gerufen worden. Ihm würde so leicht kein Fehler passieren. Es deutete alles darauf hin, dass der Eindringling durch die ungesicherte Hintertür oder ein offenes Fenster ins Haus geschlüpft war.
»Das Brecheisen war lediglich als Beispiel gedacht«, führte Harper aus. »Etwas, das schwer genug ist, um mit einem einzigen Schlag so eine Verletzung hervorzurufen. Ich würde sagen, dass enorme Gewalt angewendet wurde, mehr, als erforderlich gewesen wäre.«
»Können Sie den Todeszeitpunkt nennen?«, fragte ich.
Harper gestattete sich ein kleines, wissendes Lächeln. »Mein lieber Inspector Ross, Sie wissen so gut wie ich, dass das nicht einfach ist. Doch in diesem Fall haben wir Glück, auch wenn der Ausdruck ein wenig unpassend scheinen mag. Die Leichenstarre ist noch nicht eingetreten. Selbst die Kinn- und Nackenmuskulatur ist noch ein wenig beweglich, und wie Ihnen bekannt sein dürfte, setzt die Leichenstarre dort zuerst ein.«
»Also ist er noch
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