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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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stellte mich zufrieden, und ich beschloss weiterzuziehen. Ich hatte gehört, dass man auf den kalifornischen Goldfeldern ein Vermögen verdienen konnte. Also machte ich mich auf den Weg nach Westen. Durch eine Reihe von Fügungen des Schicksals, mit denen ich Sie nicht langweilen möchte, landete ich in Chicago. Das ist nicht im Westen, sondern mehr in der Mitte. Ich brauchte Geld und musste eine Zeit lang arbeiten, bevor ich an eine Weiterreise denken konnte. Ich wollte immer noch nach Kalifornien, verstehen Sie? Ich fragte also herum, ob jemand eine Firma kannte, die Personal suchte. Ich lernte einen Burschen kennen, der erzählte, dass er für Pinkerton arbeitete. Ich hatte keinerlei Ahnung, was Pinkerton war, und so erklärte er mir, dass es sich um eine große private Detektivagentur handelte. Er schlug mir vor, dass ich mit ihm in die Büros kommen sollte, und meinte, vielleicht würden sie mich ja nehmen.
    Also ging ich mit. Ich lernte den Burschen kennen, der die Agentur gegründet hatte, einen gewissen Allan Pinkerton. Er war kein Amerikaner von Geburt, sondern ein Schotte, den ebenfalls die Wanderlust gepackt hatte und der wie ich zu dem Schluss gekommen war, dass es ihm auf der anderen Seite des Atlantiks besser gehen würde. Ich bekam eine Anstellung und wurde einer seiner Detektive. Die Arbeit gefiel mir, ja man könnte sagen, ich war ein Naturtalent. Dort lernte ich auch, mich zu tarnen und eine falsche Identität anzunehmen, um beispielsweise Verbrecherbanden zu infiltrieren. Die Menschen, Mrs. Ross, beurteilen einander mehr oder weniger nach dem ersten Augenschein. Sie glauben, was sie sehen. Bedenken Sie außerdem, die meisten sind bei Weitem nicht so aufmerksam wie Sie! Die meisten Leute sehen einen Clown und denken, hey, ein Clown! Aber die Wahrheit ist, der Schein trügt, und zwar häufiger, als uns lieb sein kann.
    Wie dem auch sei, es ging mir gut. Dann fing drüben der Bürgerkrieg an, und das waren keine guten Nachrichten! Zwei Dinge waren in meinen Augen ziemlich offensichtlich. Erstens, der Krieg würde eher Jahre dauern als Monate, und zweitens würde sich unsere Arbeit stark verändern. Pinkerton war auf der Seite der Union. Er wurde ein Vertrauter von Präsident Lincoln, nachdem er eine Verschwörung zu seiner Ermordung aufgedeckt hatte. Aber ich bin kein politischer Mensch und ganz gewiss niemand, der sich in die Politik eines fremden Landes einmischt. Außerdem sah ich keine Notwendigkeit, mich in einen Krieg hineinziehen zu lassen. Hätte ich das gewollt, wäre ich zur Army gegangen.
    Ich verspürte auch nicht länger den Wunsch, nach Kalifornien zu gehen – ich hatte ein paar Männer kennen gelernt, die von dort kamen, und keiner von ihnen hatte es geschafft, ein Vermögen zu machen, oder er war von anderen, gerisseneren Kerlen betrogen und um sein Geld gebracht worden. Also beschloss ich, dass die Zeit gekommen war für mich, nach Hause zurückzukehren.
    Ich hatte die Idee, dass ich mit meiner bei Pinkerton gesammelten Erfahrung etwas Ähnliches in England aufziehen konnte, eine private Detektivagentur. Das tat ich dann auch, aber ich muss zugeben, es lief nicht so gut, wie ich es mir erhofft hatte. Bei weitem nicht so gut wie bei Allan Pinkerton drüben in den Staaten. Auf der anderen Seite machen wir viele Dinge anders hier in England. Ich konnte von meiner Arbeit leben. Mehr kann man eigentlich nicht verlangen, oder?«
    Er hielt inne und sah mich an, während er auf eine Antwort wartete.
    »Bitte fahren Sie fort, Mr. Jenkins«, war alles, was ich zu sagen hatte.
    Während er von seinen amerikanischen Abenteuern berichtet hatte, war er entspannt gewesen. Jetzt fing er an, nervös zu werden. Ich sah es ihm an und hörte es an seiner Stimme. »Kürzlich kam ein neuer Klient auf mich zu. Ich hatte nicht viel zu tun und war froh über die Gelegenheit, ein wenig Geld zu verdienen. Vielleicht hätte ich vorsichtiger sein sollen, aber Bettler dürfen nicht wählerisch sein, nicht wahr? Es war ein Job, und Arbeit ist Arbeit.
    Der Klient wollte, dass ich einen Mann für ihn finde, jemanden mit Namen Thomas Tapley. Tapley hatte viele Jahre lang in Frankreich gelebt, doch der Klient vermutete, dass er nach England zurückgekehrt war. Er hatte einen Verwandten, einen Mann namens Jonathan Tapley, der hier in London am Bryanston Square wohnt, doch als der Klient Erkundigungen einzog und herausfand, wer Mr. Jonathan Tapley war, erschien es ihm als keine besonders gute Idee, ihn direkt

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