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Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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kräftigen Schluck Wein hinunter. »Diese Barbaren mit ihren Schnäbeln. Haben die noch nie etwas von Alka-Seltzer gehört?«
    Die Mahlzeit bewegte sich langsam auf das Hauptereignis zu, das feierlich in einer tiefen Eisenkasserolle aufgetragen wurde: ein Schmorgericht mit Wildschwein, fast schwarz vom Wein und von der mit Blut angedickten Fleischsoße, mit einem Käse-Kartoffel-Gratin als Beilage, gekrönt von einem weiteren Châteauneuf-Aufguss. Christie blickte beklommen auf ihren dampfenden Teller, der gereicht hätte, ein ganzes Rudel ausgehungerter Hunde satt zu bekommen. Max lockerte seinen Gürtel. Die Roussels nahmen den Hauptgang mit unvermindertem Enthusiasmus in Angriff.
    Natürlich gab es den unvermeidlichen Nachschlag. Und Käse. Und riesige Ecken tartes aux pommes, mit glänzender Glasur. Und schließlich, zum Kaffee und den rautenförmigen Mandelkeksen, kam das unvermeidliche Tresterschnäpschen, Roussels hausgemachter Rachenputzer, der marc.
    Inzwischen befand sich Christie in einem Zustand dumpfer Betäubung. Sie hatte das Stadium der Völlerei erreicht, das von manchen Spezies vor Beginn des Winterschlafs angestrebt wird, und war kaum einer Bewegung oder eines Gedankens mächtig, hatte nur noch das instinktive Bedürfnis, sich an einen ruhigen dunklen Ort zurückzuziehen. Max erging es kaum besser, und selbst bei Roussel machten sich die ersten Verschleißerscheinungen bemerkbar, denn der Versuch, seine Gäste zu einem weiteren Gläschen marc zu überreden, war halbherzig, eine reine Geste der Höflichkeit.
    Es sei ein erinnerungswürdiger Abend gewesen, versicherte Max der Hausherrin beim Abschied auf der Türschwelle. Nach einer Runde Küssen und Händeschütteln lotste er Christie, die ein wenig unsicher auf den Beinen war, über die Terrasse und manövrierte sie ins Auto.
    »Ich finde, du hast dich wacker geschlagen«, lobte er sie während der Heimfahrt. »Kalifornien wäre stolz auf dich. Tut mir Leid, dass ich dir das alles eingebrockt habe - ich hatte keine Ahnung, dass sich das Abendessen als Marathonsitzung entpuppen würde. Geht es dir einigermaßen?«
    Er erhielt keine Antwort. Als sie das Haus erreichten, musste Max sie tragen; sie war schwer wie ein Mehlsack, der leicht nach marc und Mandelkeksen roch. Er hievte sie nach oben, legte sie aufs Bett, zog ihr die Schuhe aus und breitete eine Decke über sie. Als er ihr ein Kissen unter den Kopf schob, rührte sie sich und flüsterte aus der Tiefe ihrer dumpfen Erstarrung: »Nichts mehr. Bitte. Nichts mehr.«

 
DREIZEHN
     
    Max saß auf der erhöhten Kante des bassin, den Kopf zwischen den hoch gezogenen Knien, und fragte sich, ob der Herzinfarkt vor oder nach dem Frühstück eintreten würde. Die Hitze der Morgensonne und das Gelage am Vorabend hatten ein gewöhnlich befriedigendes Lauftraining in eine masochistische Geländeübung verwandelt. Stöhnend schleppte er sich zum Springbrunnen und hielt seinen Kopf unter den kühlen Strahl.
    Ein schriller Schrei von Madame Passepartout, die ihn vom Küchenfenster aus beobachtet hatte, durchdrang messerscharf den Nebel in seinem Gehirn. »Monsieur Max! Haben Sie den Verstand verloren? Das Wasser! In jedem Tropfen wimmelt es von Bakterien. Kommen Sie ins Haus!«
    Max seufzte und tat, wie geheißen. Madame Passepartout hatte es sich nicht nehmen lassen, die medizinische Behandlung des Kratzers an seinem Kopf zu übernehmen - seine Wunde, wie sie es ausdrückte -, und sich mit einem vielfältigen Arsenal von Salben und Verbandsmaterial ausgerüstet, das sie nun auf dem Küchentisch ausbreitete. Sie murmelte etwas über die Risiken einer Infektion und die Vorzüge der Sterilität, während sie den alten rosafarbenen Verband entfernte und die Platzwunde mit Mercurochrom betupfte, einem feuerroten, quecksilberhaltigen Antiseptikum.
    »Wie sieht es aus?«, fragte er.
    »Still«, ermahnte ihn die Wunderheilerin. »Diese Phase ist knifflig und erfordert außerordentliches Feingefühl.« Sie trug Salbe und eine Schicht Gaze auf, bevor sie den Wundbereich mit einem außergewöhnlich großen Pflaster luftdicht verschloss. »Fertig. Ich dachte, Weiß wäre Ihnen dieses Mal lieber. Rosa stand Ihnen nicht.«
    Max bedankte sich mit einem Lächeln. »Haben Sie Christie heute Morgen schon gesehen?«
    »Nein.« Es folgte eine Pause, in der Madame Passepartout einen Schritt zurücktrat, um ihr Kunstwerk zu begutachten. »Gesehen nicht, aber gehört.«
    »So schlimm?«
    Madame Passepartout nickte. »Mein

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