Ein guter Jahrgang-iO
Sie beschließen zu verkaufen. Und attention!« Der tropfende Finger fuchtelte Max vor dem Gesicht herum. »Vertrauen Sie niemals einem Immobilienmakler! Das sind allesamt Gauner. Ich könnte Ihnen Geschichten erzählen... unglaublich. Aber ich vergesse meine gute Kinderstube. Wir übergehen Mademoiselle.« Er spähte zu Christie hinüber, die lächelnd neben ihrer Urne stand. Roussel nickte anerkennend beim Anblick ihres leeren Glases, bot ihr seinen Arm, und die drei gingen zum Abendessen hinein.
Innen war das Haus ebenfalls perfekt in Stand gehalten: Die Fliesenböden und dunklen Holzmöbel waren auf Hochglanz poliert. Überall erblickte man schmiedeeiserne Verzierungen mit komplizierten Schnörkeln und Verstrebungen. Keine Wand war ohne Nische und keine Nische ohne gerahmte Fotografien - überwiegend Porträtaufnahmen der Dynastie Roussel, einschließlich mehrerer aufschlussreicher Schnappschüsse von Männern mit Tarnkleidung und stolz geschwellter Brust, die ihre pelzigen oder gefiederten Opfer präsentierten.
Roussel ging ins Esszimmer voraus, wo eine ganze Wand den Freuden der Jagd gewidmet war. Ein Kabinettschrank mit Eisengittern war randvoll mit Gewehren bestückt; hinter der Glasfront seines engen Gefängnisses fletschte ein ausgestopfter Fuchs die Zähne. Der riesige Kopf eines sanglier war auf einen Holzschild montiert und von weiteren Fotos umgeben, die Roussel und seine siegreichen Kampfgefährten zeigten. Ein Knoblauchstrang hing wie ein üble Ausdünstungen verbreitendes Leichentuch über dem langen Esszimmertisch.
»Es gibt nur eine einfache, deftige Mahlzeit, so wie die Männer sie nach einem harten Arbeitstag auf den Feldern zu sich nehmen«, sagte Roussel, als alle Platz genommen hatten. Sie begann mit caviar d'aubergine, einem kalten Auberginenpüree, und einer Platte, auf der sich gefüllte, zusammengerollte Fleischpäckchen stapelten, die in der Provence aus irgendeinem unerfindlichen Grund ›Lerchen ohne Köpfe‹ genannt werden. Roussel umrundete den Tisch und schenkte schweren roten Châteauneuf aus einer Flasche mit erhabenem Relief ein. Der Anblick des Weines erinnerte Max an das morgige Treffen mit dem Mann aus Bordeaux.
»Gewiss hat Nathalie Auzet Ihnen wegen morgen Bescheid gegeben«, erklärte er. »Sie hat einen oenologue gefunden, der herkommt und sich die Rebstöcke anschaut.«
Roussel schenkte sich selbst ein, mit einer Drehung des Handgelenks, um auch den letzten edlen Tropfen aufzufangen, und setzte sich. »Sie hat mich vorhin angerufen, kurz bevor Sie kamen.« Er schüttelte den Kopf und seufzte. »Diese Bordelais - meinen, sie könnten einfach hereinplatzen, wann immer es ihnen beliebt. Aber machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Ich werde schon mit ihm fertig. Mit Sicherheit haben Sie wichtigere Dinge zu tun. Überlassen Sie ihn getrost mir.« Er hob sein Glas, nahm zuerst Christie, dann Max ins Visier. »Auf Amerika! Auf England! Auf die entente cordiale!«
Christie hatte Hunger, und da sie nicht an die provenzalische Gastfreundschaft gewöhnt war - die sich weigert, ein Nein als Antwort gelten zu lassen -, unterlief ihr der Fehler, sich die erste kopflose Lerche zu schnell einzuverleiben. Madame Roussel ersetzte sie unverzüglich, samt einem weiteren Batzen Auberginenpüree, und reichte ihr eine dicke Scheibe Brot, um den Fleischsaft aufzutunken. Dieses Mal kam Christie bedauerlicherweise keine Urne zu Hilfe. Sie merkte, dass Max ungemein langsam aß, lächelte und nickte, während er einem von Roussels typischen Monologen lauschte.
»Es heißt«, sagte Roussel, als er zwei weitere Flaschen entkorkte, »dass man so viel Wein trinken kann, wie man will, ohne am nächsten Morgen zu leiden, wenn man sich vorher die Spitzen von fünf rohen Kohlköpfen einverleibt.« Er machte abermals die Runde um den Tisch und schenkte nach. »Gebratene Ziegenlunge soll angeblich den gleichen Effekt haben, obwohl ich es nicht persönlich ausprobiert habe. Aber das allerbeste Mittel soll Schwalbenschnabel sein, zu Asche verbrannt und danach im Mörser zu einem feinen Pulver zerstoßen. Eine Prise oder zwei in das erste Glas Wein, und alle weiteren Gläser bleiben völlig wirkungslos. Voilà.«
»Faszinierend«, sagte Max. »Das werde ich mir merken; ich muss unbedingt ein paar Schnäbel kaufen.« Er fing Christies Blick auf und übersetzte für sie die Ausführungen des Verwalters. Ihr Lächeln erstarrte, als er zum Schwalbenschnabel-Rezept kam.
Sie spülte das Entsetzen mit einem
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