Ein guter Jahrgang-iO
Weinverkäufe während der letzten Jahre vermerkte - Details, die man am besten vor den Augen des Fiskus' und anderer Schnüffler verbarg. Er schwang in seinem Drehstuhl herum und fischte aus dem Bücherregal hinter seinem Schreibtisch eine rissige, ledergebundene Ausgabe von Molières »Der Geizige«, deren Seiten in der Mitte ausgehöhlt waren, so dass sie ein passendes Versteck für das Notizbuch boten.
Die Transaktion war überaus zufrieden stellend verlaufen. Die Euros hatten sich auf seinem Konto in Luxemburg dermaßen angesammelt, dass man Fitzgerald als wohlhabenden Mann bezeichnen konnte. Noch ein weiteres, ähnlich einträgliches Jahr wie dieses, oder auch zwei, dann hatte er ausgesorgt und mehr als genug, um sich eine Zweitwohnung in der Park Avenue und ein Haus nebst Yacht auf den Bahamas zu leisten, eine sonnige Oase für alle Steuerflüchtlinge. Je früher, desto besser, dachte er. Er hatte Bordeaux satt, wo sich alles um den Wein drehte - obwohl der Wein ihm gute Dienste leistete, wie er zugeben musste. Wein und die Menschen, die von Natur aus einfältig und leichtgläubig waren.
Er sah nur ein Problem, das ihm einen Strich durch die Rechnung machen und ihm die wohl geordnete, wohl situierte Zukunft verbauen konnte: Der Engländer, der nach seinem Geschmack ein bisschen zu starkes Interesse an den Weingärten gezeigt hatte. Für dieses Jahr war die Lese noch gesichert; die Bodenproben und Recherchen waren zeitaufwändig, so dass mit dem Bericht des oenologue erst lange nach der vendange zu rechnen war. Aber danach? Wenn man nur den Engländer zum Verkauf überreden könnte!
Fitzgerald machte sich eine Notiz, mit Nathalie darüber zu reden. Wie er wusste, konnte sie außerordentlich überzeugend sein.
* * *
Als Christie, Charlie und Max ins Dorf kamen, entdeckten sie kaum noch Spuren von den Festlichkeiten des Vorabends. Die bunten Lichterketten hingen noch wie tropische Früchte zwischen den Blättern der Platanen, aber die Klapptische, die Bänke und die Bühne waren schon während der Nacht abgebaut und auf den LKW verladen worden, der sie zur nächsten fête brachte. Ein kleiner, versprengter Haufen Touristen hockte auf der Terrasse des Cafés, und drinnen wurden Karten auf den Tisch geklatscht: Vier alte Herren an einem Tisch hinten im Schankraum waren in ihr endloses Spiel vertieft. Der Dorfplatz war leer, bis auf eine oder zwei davoneilende Gestalten, die ein Brot geholt hatten und ziemlich spät mit dem Mittagessen dran waren. Der Alltag war wieder in St. Pons eingekehrt.
Es hätte eines scharfäugigen Beobachters bedurft, um herauszufinden, ob Fanny nun Max eine andere Behandlung zuteil werden ließ als jedem anderen gern gesehenen Gast. Möglich, dass sie sich eine oder zwei Sekunden länger als gewöhnlich an seine Wange schmiegte, als sie zur Begrüßung Küsse austauschten, dass ihr Schenkel seinen Arm streifte, als sie am Tisch stand, um die Bestellungen aufzunehmen. Derselbe scharfäugige Beobachter hätte vielleicht einen besonders ausgeprägten Hüftschwung bemerkt, als sie sich entfernte. Doch alles in allem war sie, wie Charlie erklärte, von beispielhafter Diskretion - eine junge Frau, die man zweifellos mit nach Hause nehmen konnte, um sie der Mutter vorzustellen. »Und jetzt zu diesem rätselhaften Wein«, sagte er, holte einen zerknitterten Zettel aus seiner Tasche und strich ihn auf dem Tisch glatt. Er hielt Max sein leeres Glas zum Nachfüllen hin, während er auf seine Notizen blickte. »Billy hatte alle Hände voll zu tun, um den Sachverhalt in allen Einzelheiten zu klären, aber er versteht etwas von seinem Fach. Ich bin sicher, dass seine Informationen auf Tatsachen beruhen, auch wenn sie kaum zu glauben sind. Zuerst einmal, besagten Wein könnten wir Normalsterbliche uns gar nicht leisten. Er ist auch nur dem harten Kern der Kenner bekannt, der Geld wie Heu hat, wie Billy meinte. Dieser Wein ist ein Beispiel jenes Phänomens, das sich unlängst in der Branche entwickelt hat - die so genannten Garagenweine, erinnerst du dich - von winzigen Weingütern mit äußerst begrenzter Produktion. Nun, die boomen in den letzten Jahren wie verrückt und erzielen Preise, von denen normale Weinproduzenten nur träumen können; genau das Richtige für Weinsnobs, die mehr in ihrem Portemonnaie als in ihrer Birne haben.«
Er hielt inne und trank einen Schluck. »Im Grunde genau das, was ich dir schon beim Abendessen in London erzählt habe. Schade, dass Onkel Henry dir nicht ein
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