Ein guter Jahrgang-iO
phantastischem Potenzial entdecken. Und noch wichtiger ist« - Charlie fuchtelte mit seiner Gabel in der Luft herum, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen -, »dass du ihnen einschärfst, das Geheimnis nur wenigen absolut vertrauenswürdigen Kunden zu verraten. Würde die breite Öffentlichkeit davon erfahren, wäre alles aus und vorbei. Apropos, deshalb wird der Wein vermutlich nicht in Frankreich verkauft. Die Franzmänner würden unangenehme Fragen stellen.« Er blickte die beiden stirnrunzelnd an. »Na, was sagt ihr? So könnte es doch funktionieren, oder?«
Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Obwohl es, wie Christie sagte, einfach unfassbar war, dass ein Mensch bereit sein sollte, eine halbe Million Dollar für eine einzige Flasche Wein zu bezahlen. Und dennoch bestand eindeutig diese Bereitschaft. Was eine gute Neuigkeit für Charlie war, der sie sofort aufgriff. »Seht ihr? Genau wie ich sagte. Der gesunde Menschenverstand geht in der Weinbranche ständig über den Jordan.«
»Angenommen, du hast wirklich Recht. Wie willst du das beweisen?«
Vorschläge und Gegenvorschläge wechselten hin und her, zwischendurch wurden die Muscheln und dann der Käse serviert. Max schloss die Möglichkeit aus, die Polizei einzuschalten, was bei Roussel und anderen zum Ruin geführt hätte. Wieder wurde die Option aufs Tapet gebracht, Nathalie Auzet zur Rede zu stellen, und dann doch verworfen: Sie würde die Vorwürfe einfach leugnen und ungestraft davonkommen, aus Mangel an Beweisen. Je eingehender sie den Fall erörterten, desto klarer wurde, dass sie ihr Augenmerk auf Jean-Marie Fitzgerald richten mussten.
Sie waren beim Kaffee angelangt und beobachteten, wie das Dorf nach dem Mittagessen langsam zum Leben erwachte. »Wer ist der reichste Mann der Welt?«, fragte Max, an Christie gewandt.
»Keine Ahnung. Bill Gates?«
»George Soros?«, meinte Charlie. »Irgendein Rockefeller, Du Pont, Rothschild - nein, warte, was ist mit dem Sultan von Tengah? Er hat das eine oder andere auf der hohen Kante.«
Max wusste nur eines über den Sultan von Tengah: dass er in Öl und in Geld schwamm - er war ungeheuer, ja geradezu abartig reich. Er besaß Immobilien in den Metropolen aller Herren Länder, ganze Wälder in Kanada, Bisonherden in Wyoming, Gold- und Diamantenminen in Afrika, Gasbeteiligungen in Russland. Der Palast, in dem er den Großteil seiner Zeit verbrachte, hatte vierhundert Zimmer, wie man munkelte, ein jedes mit kostbaren Antiquitäten eingerichtet. Doch mit Ausnahme dieser Informationsbruchstücke, die allgemein bekannt waren, blieb der Mann selber von Geheimnissen umwittert; er wurde selten in der Öffentlichkeit gesehen, nie fotografiert, ein Krösus, der wie ein Einsiedler lebte.
»Perfekt«, sagte Max. »Das ist unser Mann. Charlie, du hättest dir keinen besseren Zeitpunkt für deinen Besuch aussuchen können. Ich habe einen Plan.«
NEUNZEHN
»Das schaffe ich nicht, wenn ihr zwei zuschaut und Grimassen schneidet«, sagte Charlie. »Ich muss allein sein. Das wird schließlich ein Drahtseilakt. Seid ihr sicher, dass er Englisch spricht? Auf mein Französisch kann ich mich nicht verlassen.«
»Er spricht Englisch, jede Wette«, erklärte Christie. Sie und Max zogen die Tür hinter sich zu und ließen Charlie in dem höhlenartigen schäbigen Wohnzimmer allein. Er legte seine Notizen und einen Stift auf dem niedrigen Tisch vor seinem Sessel griffbereit und ließ seinen Daumen über die Visitenkarte gleiten, die Max ihm gegeben hatte: schlicht und klassisch, der Name Jean-Marie Fitzgerald in Kupferstich-Lettern. Charlie holte tief Luft und nahm den Hörer ab.
»Oui?« Die Stimme der Frau - kurz angebunden und leicht verdrossen - veranlasste Charlie, den blasierten Tonfall der Oberschicht anzuschlagen, der normalerweise seiner Immobilien-Klientel vorbehalten war.
»Guten Tag.« Charlie ließ die Worte einige Sekunden nachwirken, damit sich die Frau an den Klang der Fremdsprache gewöhnen konnte. »Ich würde gern mit Mr. Fitzgerald sprechen, falls er abkömmlich ist.« Er sprach mit übertriebener Langsamkeit und Deutlichkeit.
Doch die Frau sprach ein fließendes Englisch, mit einem amerikanischen Akzent. »Darf ich fragen, wer Sie sind?«
»Willis. Charles Willis. Ich rufe im Auftrag eines Klienten an.«
»Und der Name Ihres Klienten?«
»Leider bin ich nicht befugt, ihn preiszugeben - außer natürlich Mr. Fitzgerald.«
Charlie wurde gebeten, am Apparat auszuharren. Während er mit
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