Ein guter Mann: Roman (German Edition)
Passagierlisten?«
»Kommen gleich«, antwortete Sowinski.
»Ich muss mit seiner Frau reden«, stellte Müller fest. »Unbedingt.«
»Noch zu früh«, entschied Krause. Er sah Sowinski an: »Erinnerst du dich an sein Gepäck? Hatte er irgendwelche Taschen oder so was?«
»Ich erinnere mich nur an die klassische Laptop-Tasche. Flach, schwarz, Leder oder lederartig, mit einem breiten Trageband. Muss aber kein Laptop gewesen sein.« Dann sah er Müller an, und die Finger seiner rechten Hand spielten auf der Schreibtischplatte ein Stakkato. »War Achmed Ihres Wissens jemals im Ausland?«
»Nein, nie.« Müller schüttelte den Kopf. »Er träumte von einer Öffnung Syriens, die es ihm gestatten würde zu reisen. Aber unter der jetzigen präsidialen Diktatur ist das nicht möglich. Also frage ich mich: Woher, zum Henker, hat er das Visum?«
»Jedenfalls nicht von der Botschaft in Damaskus«, antwortete Krause. »Anfrage gelaufen, Auskunft eindeutig negativ. Kein Visum für Achmed. Aber vielleicht hat er ja einen Aliasnamen verwendet, wie es viele in Nahost machen. Wir hatten es schon mit Sympathisanten der Mullah-Szene zu tun, die unter zwanzig verschiedenen Namen auftraten und für zehn davon einen gültigen Pass hatten. Was läuft da?«
»Wir wissen es nicht«, seufzte Sowinski nach einer Weile, »wir können nur daran arbeiten.«
Krause sagte nicht ohne Stolz: »Sie hatten jedenfalls mal wieder Recht. Achmed ist aus dem Ruder gelaufen. Hat er jemals gesagt, er wolle mal gern nach Berlin fliegen?«
»Ja, natürlich. Aber das sagen sie alle, das ist nichts Besonderes.«
»Richtig. Hat er sich Berlin jemals von Ihnen beschreiben lassen?«
»Er hat gefragt, was wir so am Abend machen, wo wir hingehen, um ein Bier zu trinken. Solche Sachen. Und die frühere Berliner Mauer musste ich ihm schildern, die interessierte ihn brennend.«
»Und Sie mussten ihm auch beschreiben, wie Sie wohnen, wie das Häuschen aussieht.« Krause wurde immer schneller.
»Ja, selbstverständlich.«
»Und dass Ihre Frau in der Bank arbeitet und die Tochter Anna-Maria fünf Jahre alt ist.«
»Aber natürlich. Wir waren … wir sind gute Kumpel, Freunde fast.«
»Dann hat er also auch Ihre Adresse, Ihren Klarnamen?«
»Hat er. Für den äußersten Notfall.«
»Was ist denn der äußerste Notfall?«
Es herrschte jetzt eine dröhnende Stille.
»Der äußerste Notfall ist seine schnelle Flucht aus Damaskus im Falle einer Identifizierung.« Müller spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirne trat.
»Seine schnelle Flucht aus Damaskus sieht im Normalfall doch so aus, dass er versucht, auf felsigen Trampelpfaden in den Libanon überzuwechseln oder von mir aus nach Jordanien oder in die Türkei. Aber doch nicht so, dass er einen Flieger besteigt und hier fröhlich pfeifend ankommt – und das alles, ohne Ihnen ein Wort zu sagen.« Sowinski war eindeutig ärgerlich, seine Wangenknochen mahlten.
»Er hat Ihnen gestern kein Wort gesagt, dass er heute in Berlin auftauchen würde. Aber er ist hier, und es sieht nicht so aus, als sei er auf der Flucht. Dann säße er nämlich wahrscheinlich längst auf Ihrer Wohnzimmercouch.« Krause sprach ganz ruhig und gelassen. Es war wie immer: Je größer das Problem, umso ruhiger wurde er.
Müller wedelte mit beiden Händen. »Ich kann mir nicht vorstellen, was er hier sucht oder will.«
»Dass er Ihre Adresse hat, ist gegen die Regel«, stellte Sowinski wütend fest.
»Und sollte er hier in eine Ladung geballter Kacke geraten, wird er vor Ihrer Tür stehen.«
»Er ist schließlich so etwas wie ein Freund, seine Arbeit vor Ort war bisher sehr gut«, verteidigte sich Müller schwach.
Es herrschte Schweigen.
»Wir müssen uns was überlegen«, sagte Krause.
Wenig später kamen die Aufzeichnungen der Überwachungskameras vom Flughafen Tegel. Eine lange Aufzeichnung von etwa fünfzehn Sekunden zeigte Achmed, wie er aus dem Gate kam und zum Gepäckband hinüberging. Er trug seine schwarze Laptop-Tasche über der Schulter. Dann zeigte eine andere Kamera, wie er eine große, schwarz-weiße Sporttasche aufnahm und sich abwandte, um irgendwohin zu gehen.
Sein Gesicht verriet keine Spur von Aufregung, eher die Neugier, die ihm eigen war, das ständige Drehen des Kopfes, um keine Nuance dieser neuen Welt zu verpassen.
»Eindeutig?«, fragte Krause.
»Eindeutig«, nickte Müller. »Haben wir jetzt die Passagierlisten?«
»Haben wir. Er kam mit einer Direktmaschine aus Kairo. Er hatte ein Visum auf
Weitere Kostenlose Bücher