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Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Titel: Ein guter Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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selbst eine Zehn. Dann bekam er eine nächste Sieben, dann eine dritte.
    »Schon passiert.« Er lachte.
    Dann griff sie nach seiner linken Hand und hielt sie einen Augenblick lang fest. »Wir können die blöde Spielerei auch lassen.«
    »Dann lassen wir es«, sagte er mit einem Kloß in der Kehle.
    Sie ließ seine Hand los und warf einen Stapel Spielkarten scheinbar angewidert über die Theke.
    »Also gut, du hockst also berufsmäßig in Bars. Und was machst du tagsüber?«
    »Tagsüber bin ich ein Behördenhengst und räume acht Stunden lang Bleistifte von rechts nach links und umgekehrt. Mittags esse ich in der Kantine, und abends hole ich mir Softpornos aus dem Videoverleih, schließe mich in meiner Einraumwohnung ein und fresse kiloweise Kartoffelchips.«
    »Niemals«, sagte sie heftig. »Das ist gelogen.«
    »Die Nacht ist die Stunde der Lügner«, sagte er theatralisch.
    »Kannst du nicht sagen, was für einen Beruf du hast?«
    »Klar kann ich das. Ich arbeite im Innenministerium.«
    »Und was, bitte?«
    »Ich räume die Bleistifte von rechts nach links. Ich bin ein Schreibtischhengst.«
    »Das ist unfair«, sagte sie seufzend. »Niemand mit diesen Augen räumt Bleistifte von links nach rechts.« Dann lächelte sie schnell und flüchtig.
    »Du bist ein Oberstudienrat, der in ein paar Stunden vor seiner Klasse steht und sich beschimpfen lassen muss.«
    Der Pianist spielte die alte Marika-Rökk-Melodie »In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine«.
    »Ist doch egal«, sagte Müller.
    »Ja, ist egal«, sagte Karen. Sie sah ihn an, und es war plötzlich eilig und ernst. »Ich würde gern mit dir reden.«
    »Aber das kannst du doch«, antwortete er mit trockenem Mund.
    »Im Ernst«, sagte Karen eindringlich. »Einfach reden.«
    »Ja«, nickte er nervös.
    »Nicht hier«, flüsterte sie.
    »Das ist verblüffend«, erklärte Müller leicht erregt und deutete Richtung Klavierspieler. »Hör mal genau zu. Weißt du, was er spielt?«
    »Drück dich nicht«, sagte sie atemlos und ein wenig wütend. »Was spielt er denn?«
    »Das Thema von Mahlers Erster Symphonie.«
    »Du willst mir ausweichen.«
    »Gut, du willst reden«, sagte er dann. »Ich will auch reden, glaube ich. Ich will auf jeden Fall allein mit dir sein.«
    »Dann fahr in den dritten Stock, Zimmer Nummer dreihundertzwanzig. Vergisst du das auch nicht?«
    »Nein. Bis gleich.«
    Karen bezahlte, gab ein großzügiges Trinkgeld, und Müller sah, dass sie etwas nervös mit ihrem Geldbeutel hantierte. Dann nickte sie ihm zu und ging langsam davon.
    Müller legte dem Barmann einen kleinen Schein hin und sagte: »Es war schön hier in deinem Laden.«
    Er schlenderte langsam in die Lobby, schielte nach den Aufzügen. Und er hörte in plötzlich aufflammender Verlegenheit, wie der Pianist einen halben Zentner Schmalz nachlieferte – »Strangers in the Night«. Müller dachte: Das kann nicht sein, das ist einfach zu trivial.
    Sie hatte die Tür ihres Zimmers nur angelehnt.
    Er sagte Hallo und ging hinein. Er hörte Geräusche im Bad und schloss die Tür hinter sich. Er setzte sich in einen gelben Sessel und dachte flüchtig an den unbeschreiblich rosafarbenen in seiner Einraumwohnung.
    Sie wird wahrscheinlich nicht nur reden wollen, ihre Augen waren so hungrig, dachte Müller. Na, sicher, ich bin auch hungrig. Über was wird sie reden wollen? Über ihr Leben, von dem ich keine Ahnung habe? Über irgendeinen Mann, den sie mal hatte oder den sie haben möchte oder der irgendwo auf sie wartet? Oder zerrt sie mich gleich ins Bett? Ich bin auch schon total meschugge. Dann lächelte er.
    Karen kam aus dem Bad und trug einen beigefarbenen, glänzenden Morgenmantel, der ihr bis knapp über die Knie reichte.
    Sie fragte: »Willst du etwas essen? Soll ich etwas kommen lassen?«
    »Nein, danke«, sagte er.
    Sie baute sich vor ihm auf, als wolle sie ein für alle Mal etwas klarstellen, und erklärte: »Ich bin völlig übermüdet. Hast du etwas dagegen, wenn ich mich auf das Bett lege?« Sie lachte leise. »Hübsch zurückhaltend, natürlich.«
    »Ich habe nichts dagegen«, erwiderte er. »Hast du etwas dagegen, wenn ich das Jackett ausziehe?«
    »Es steht Sekt im Eisschrank.«
    »Kein Alkohol mehr. Ich trinke selten.«
    Sie legte sich auf das Bett, kramte die Kopfkissen zusammen und stopfte sie sich hinter den Rücken.
    »Du bist schon ein seltsamer Heiliger. Du gibst nicht gern etwas preis, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte er.
    »Wenn du jetzt hier rausmarschierst, hätte ich

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