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Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Titel: Ein guter Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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getan.«
    »Du mir auch.«
    »Wann musst du gehen?«
    »Eigentlich muss ich gar nicht gehen. Eigentlich würde ich gern hier bleiben und mit dir frühstücken.«
    »Das ist schön. Wie viel Uhr ist es?«
    »Zwanzig nach drei.«
    »Gute Zeit«, murmelte sie und gähnte.
    Irgendwann zog sie eine der Bettdecken vom Fußboden hoch und legte sie über sich. Dann schlief sie, und Müller dachte: Sie sieht so aus, als vertraue sie der Welt wie ein Kind, das sein Zuhause fühlt.

VIERTER TAG
     
    Er starrte an die Decke und sah das erste Licht des Tages schimmern. Er dachte an Anna-Maria, an seine Frau, seinen Vater, seine Mutter. Achmed stahl sich in seine Ruhe und ließ ihn nicht mehr los. Er zog sich leise an, schrieb auf einen Zettel: »Bin bei meinem Vater. Ich melde mich.«
    Er verließ das Zimmer und fuhr im Aufzug nach unten.
    In der Bar war noch Betrieb, er hob die Hand, als der Barmann ihn lächelnd bemerkte. Er dachte: Er hat es sowieso gewusst.
    Es war kühl, Nebel lag in der Luft. Es musste geregnet haben, überall standen seichte Pfützen.
    Er fragte sich, was Anna-Maria wohl zu jemandem wie Karen sagen würde, und er wusste es nicht.
    Schnell fuhr er zu seiner neuen Wohnung. Von seinem Stellplatz aus starrte er an der tristen Fassade hoch.
    »Ich kann das jetzt nicht!«, sagte er laut.
    Während er sein Auto hinausrangierte, kam ihm die Idee, zwei große Ficusbäume zu kaufen, vielleicht würde das die Tristesse vertreiben. Und Teppichboden, es gab Sonderangebote. Und ein paar große Plüschtiere für Anna-Maria. Das war eine gute Idee.
    Er fuhr schnell und hellwach. Er liebte Städte am frühen Morgen, er sah gern Menschen zu, die gerade auf die Straße traten und sich umschauten, als ob die Nacht etwas verändert hätte. Schon bald erreichte er die Klinik, konnte aber nicht hinein. Der Frau an der Pforte erzählte er, er sei Schichtarbeiter und habe nicht viel Zeit. Sie hatte ein Einsehen und ließ ihn durch.
    Die Station war in vollem Betrieb, ein junger Mann schob ein Bett vorbei, in dem ein Mensch lag, dem man die Decke über den Kopf gezogen hatte. Ein Mann im weißen Kittel, vielleicht vierzig Jahre alt, ging vorbei und sagte zu einer neben ihm trippelnden Schwester: »Die schafft das nicht, die schafft das keine dreißig Minuten.«
    Dann sah er Müller, seine Augen wurden zu Schlitzen, und er sagte laut: »Hören Sie mal, das geht aber nicht. Wir müssen hier arbeiten. Wir sind doch kein Hotel hier.«
    »Mein Vater liegt hier«, sagte Müller. »Oderstudiendirektor Müller. Ich habe sonst keine Zeit für einen Besuch.«
    »So geht das aber nicht, junger Mann.« Der Mann war blass und aggressiv, unter seinen Augen lagen schwarze Ringe.
    »Aber ich störe doch nicht«, entgegnete Müller. »Ich bin ganz still und trete beiseite, wenn es sein muss.«
    »So? Na ja.« Der Mann wurde unsicher. Dann ging er weiter, als habe es Müller nie gegeben, die Schwester neben ihm grinste.
    Die hagere Schwester mit dem Protesthaar tauchte vor ihm auf und lächelte, als sie ihn sah.
    »Wie geht es ihm?«
    »Er hat die Augen geöffnet. Es ist nicht klar, ob er etwas sieht. Aber er ist stabil.«
    Das Bild war unverändert.
    Sein Vater lag auf dem Rücken, in die linke Hand führte eine Infusion, die rechte war frei und bewegte sich zuckend. Aber das konnte auch einfach nur ein Zittern sein. Und er hatte tatsächlich die Augen geöffnet. Es roch nach einer leicht parfümierten Seife. Seine Mutter hatte ein Paket Papiertaschentücher auf seinen kleinen Schrank gelegt.
    »Ich bin hier, Papa, grüß dich.« Müller beugte sich dicht über das Gesicht seines Vaters. »Es geht dir wesentlich besser, sagen sie. Und ich weiß nicht, ob du mich siehst oder nicht. Kannst du nicht mal die Augen schließen, wenn du mich siehst? Als Zeichen?«
    Die Augen blieben offen und bewegten sich nicht. Müller dachte flüchtig, dass diese Augen wie ein unendlicher Abgrund waren, tote Seen.
    Er setzte sich auf den Stuhl und hielt die freie Hand seines Vaters.
    »Es ist viel passiert«, sagte er leise. »Eine ganze Menge. Bitte, werde schnell gesund und rede mit mir. Ich wohne nicht mehr zu Hause.«
    In dem Gesicht veränderte sich nichts, die Hand, die er hielt, zuckte nicht, die Finger drückten nicht. Die Augen blieben starr, nur das linke Lid flatterte manchmal. Das Licht im Raum wirkte elend matt und diffus, kein Licht, um irgendetwas deutlich zu erkennen, kein Licht, um sich aufzuhalten.
    »Es ist so, dass wir nichts mehr miteinander

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