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Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Titel: Ein guter Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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offensichtlich machte es ihr Spaß. Ihre Stimme war ein angenehmer Alt.
    »Ich werde Sie in die Pleite treiben«, versprach sie und lächelte Müller an. »Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Karl«, antwortete er, und er hatte jetzt ein hohles Gefühl im Bauch. Ihre Augen waren sehr eindringlich.
    »Und wahrscheinlich nennen alle Sie Kalle, oder?«, sagte sie lächelnd.
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Sie nennen mich, wenn überhaupt, bestenfalls Karl. Wahrscheinlich fällt ihnen zu mir nichts ein.«
    In ihren Augen schimmerte Heiterkeit. »Darüber würde ich mir Sorgen machen. Ich heiße Karen, wie das amerikanische Karen. Mit Ä und doppeltem R.« Sie ließ eine Karte zu ihm gleiten und dabei berührte sie seine linke Hand.
    »Erfreut, Karen«, sagte Müller. Er zuckte nicht zurück, aber er war verwirrt. »Ich muss noch sechsmal gewinnen, um meinen ersten Whisky zu finanzieren. Also, los. Wieso dieser amerikanische Frauenname?«
    »Weiß der Geier«, antwortete sie. »Ich habe meinen Vater nie kennen gelernt. Er kam vorbei, aber nicht mehr wieder.« Sie deckte eine Karte für sich auf. Es war ein Ass.
    »Ein Rabenvater«, stellte Müller fest.
    Er sah seine Karte an, es war eine Vier. Er hatte jetzt sieben, verlangte noch eine Karte und bekam eine Zwei. Karen hatte einen König, eine Sieben, eine Sechs. Sie riskierte es wieder und landete eine Fünf.
    »Es ist nicht mein Tag«, murmelte sie.
    Dann lächelte sie ihn unvermittelt strahlend an. »Ich nehme also an, lieber Karl, dass du berufsmäßig nächtelang in Bars herumhängst.«
    »So kann man das durchaus formulieren«, sagte Müller grinsend. »So, wie du mit deinen Spielkarten im Dunkel der Nacht auf Opfer wartest.«
    Sie ist nicht die Spur betrunken, dachte er verwundert. Er hörte, wie der Pianist in seinem Rücken mit der alten Cole-Porter-Nummer »Love for Sale« begann.
    Wahrscheinlich kann sie einfach nicht schlafen und will irgendwie die Nacht totschlagen. Er atmete ihren sanften Duft, er wirkte betörend.
    »Ich warte eigentlich niemals«, sagte sie tonlos, und es klang so, als sage sie das nur zu sich selbst.
    Der Whisky schmeckte ausgezeichnet. Müller dachte: Du passt mir gut in den Kram, meine Liebe, du und dieses Klavierspiel und dieses gedämpfte Licht.
    Anna-Maria wird mich natürlich fragen: Wohnst du jetzt immer hier, Papa? Und wenn ich viel Glück habe, stirbt mein Vater nicht. Um das Glück voll zu machen, taucht Melanie in meiner Einraumwohnung auf und erklärt, sie wolle nicht ohne mich leben. Und Achmed ruft mich auf der sicheren Leitung an und sagt: Hey, ich bin mit ein paar Kumpels auf einem Kurztrip in deiner Stadt, und ich finde es großartig hier. Müller riss sich wieder aus seinen Gedanken.
    »Ich möchte noch einen blauen Johnnie Walker«, sagte er zum Barmann gewendet. »Und was treibst du, um dein Frühstück zu verdienen, Karen?«
    »Ich bin eine Werbefrau«, sagte sie leichthin. »Ich mache Kataloge und so was.«
    »Und was ist ›und so was‹?«
    »Na ja, schillernde, witzige Texte, bunte, hübsche, aussagekräftige Fotos. Liebe Hausfrau, ergänzen Sie: Ohne Flei… kein Prei…«
    Müller dachte: Wir zwei sind im Ozean der Möglichkeiten jetzt auf einer Insel, niemand kommt an uns heran. Er spürte, dass er zitterte.
    Der Betrunkene mit dem Frauenarzt-Witz rechts neben Müller wurde aus irgendeinem Grund laut und wütend, rutschte von seinem Hocker und versuchte den Mann neben sich zu schlagen.
    »Hey!«, sagte der Barmann schnell, seine Hand schoss nach vorn, und er zog den Betrunkenen am Hemd ganz dicht an sich heran, sodass der wie ein Bogen über der Theke in der Luft hing.
    »Schon gut!«, rief der Betrunkene und hob beide Arme, als sei der Barmann bewaffnet.
    »Ich habe einundzwanzig, ich gewinne!«, sagte Karen tonlos.
    »So ein Mist«, lächelte Müller.
    Der Pianist begann mit dem Knef-Titel »Ich zieh mich an und langsam aus«.
    »Ich muss mal wohin«, murmelte Karen.
    Sie ist fantastisch, dachte Müller aufgeregt und sah hinter ihr her. Sie war eine schmale Person, und sie ging sehr selbstbewusst und zugleich sehr weiblich mit weichen Bewegungen.
    Ich bin ganz locker, erstaunlich, dachte er. Am erstaunlichsten ist, dass ich sie berühren will, unbedingt berühren will.
    Karen kam nach ein paar Minuten zurück und wirkte angriffslustig.
    »Ich muss jetzt dringend noch mal gewinnen.«
    »Gut«, nickte Müller. »Ich spiele blind, damit du glücklich wirst.«
    Sie lächelte schnell, gab ihm eine Sieben, sich

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