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Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Titel: Ein guter Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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kommen?«
    »O ja«, versicherte er. »Morgen sehen wir uns und …«
    »Wie ist denn deine Adresse jetzt?«
    »Ach so. Hast du was zu schreiben?«
    Er diktierte ihr die Adresse. »Es ist eine kleine Einraumwohnung«, sagte er.
    »Eine Einraumwohnung? Ach, Gottchen, Junge.« Aber dann lachte sie plötzlich, und das erschien ihm wie ein kleines Wunder.
    Papa macht die Augen auf, dachte er.
    Er setzte sich wieder in den Golf und fuhr gemächlich durch die Straßen, stieg ab und zu aus, lief durch Toreinfahrten in Hinterhöfe, sah nach den Namen auf den Klingelschildern, als habe er eine Chance, dort Achmed zu entdecken.
    Einer seiner Ausbilder beim SEK der Polizei, ein Mann, den sie Herbie nannten, hatte das als Witterung aufnehmen bezeichnet. Er hatte gesagt: Wenn du einen Mann in einer Stadt suchst, dann musst du wissen, wie die Stadt aussieht. Es gibt Strukturen. Da sind Gärten, Höfe, Garagen, kleine Werkstätten, Hintereingänge. Du musst kapieren, wie das alles gebaut ist, wie es zusammenpasst, wie die Kneipen aussehen und wo die Einheimischen sich treffen, wie die Schleichwege verlaufen. Du bist fremd, aber wenn du das alles gesehen hast, bekommst du eine Ahnung davon, wo sich jemand verstecken könnte.
    Du lieber Gott, Herbie. Wie lange war das her? Zehn Jahre? Zwölf?
    Er suchte nach dem Namen, und er ärgerte sich, als er ihm nicht sofort einfiel. Dann hatte er ihn: Brettschneider, Herbert Brettschneider.
    Er fuhr zu einer Telefonzelle und blätterte im Telefonbuch. Dann hatte er die Nummer, notierte sie, saß in seinem Golf und rief an.
    »Brettschneider hier.«
    »Der Polizist Brettschneider?«
    »Der Polizist. Ja, bitte?«
    »Ich bin der Müller, der einmal in deinem Verein war.«
    »Mich laust der Affe.« Dann lachte er. »Du sollst eine große Nummer beim BND sein.«
    »Bin ich nicht«, sagte Müller schnell. »Ich habe ein Problem, und das Problem heißt Wedding. Mir ist im Ausland eine menschliche Quelle durch die Lappen gegangen. Jetzt ist sie hier im Wedding. Und ich stehe dumm rum.«
    »Kannst du mir sagen, welche Nationalität die Quelle hat?«
    »Syrer.«
    »Und hat er im Wedding Freunde?«
    »Weiß ich nicht. Könnte aber sein.«
    »Ist er auf der Flucht?«
    »Eigentlich nicht. Streng genommen kann ich ihm nichts Illegales vorwerfen. Er ist hier und untergetaucht.«
    Eine Weile schwieg Herbie, dann murmelte er: »Wenn ich dich recht verstehe, ist er kein Krimineller.«
    »Exakt.«
    »Und du willst ihn nur finden, um ihn zu fragen, was er hier so treibt?«
    »Genau das.«
    Langes Schweigen.
    »Du musst wissen, dass Russen die Russen unterstützen, Türken die Türken, Tschetschenen die Tschetschenen und so weiter und so fort. Ich würde sagen, Syrer sind seltener. Du müsstest also syrische Gruppen suchen. Und da gibt es Spezialisten, die so etwas wissen.«
    »Wo?«
    Herbie lachte laut. »Bei den Bullen, Junge, bei den Bullen. Gibt es ein Foto von dem Mann?«
    »Ja.«
    »Ihr habt doch genügend Einfluss und Verbindung. Ihr braucht Zielfahnder. Gar nicht viele, drei, vier vielleicht. Sie müssen ja auch nicht sagen, dass sie euch helfen. Sie suchen eben, das ist ihr Job.«
    »Das könnte eine Idee sein«, nickte Müller. »Und, wie geht es so? Wie geht es der Frau und den Kindern?«
    »Hör auf mit dem Scheiß. Die Frau gibt es nicht mehr, und die Kinder sehe ich alle zwei Monate, wenn ich Schwein habe.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Schon gut, Kleiner, das konntest du nicht wissen. Man hört voneinander.«
    »Mach es gut, bis demnächst.«
    Müller erinnerte sich daran, dass Herbie ihn immer schon Kleiner genannt hatte, was einfach daran lag, dass er in seiner Gruppe des SEK von dreißig Männern mit Abstand der kleinste gewesen war. Konnte es sein, dass dieser Herbie, den er als einen ewig gut gelaunten Schinder in Erinnerung gehabt hatte, jetzt auch in einer Einraumwohnung hockte und in Melancholie schwelgte? Müller fand die Vorstellung grotesk.
    Er rief Krause auf einer besonderen Nummer an und sagte: »Es könnte eine Lösung sein, sofort Zielfahnder des Bundeskriminalamtes oder Landeskriminalamtes auf den Wedding anzusetzen. Ein Bekannter sagt, die wissen, wo mögliche Syrerkreise zu finden sind. Müller hier, um dreiundzwanzig Uhr fünfzehn.«
     
    Er verließ den Wedding und fuhr über Berlin-Mitte in Richtung Regierungsviertel. Er kannte dort eine gemütliche Hotelbar mit einem guten Pianisten. Er wollte ein wenig Ruhe und einen teuren Whisky, und er wusste, dass er ihn dort bekam. Die

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