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Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Titel: Ein guter Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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mit schwarzer Farbe an die weiße Wand geschrieben: »Jesus war auch nur ein kleiner Pisser!« Und gleich daneben stand: »Ute, ich liebe dich.«
    Ja, Papa, du hast die Reise hinter dich gebracht, und gleich legen sie dich in dein Grab, dachte Müller. Damit hast du mir eine grundsätzliche Erfahrung voraus. Ich war heute Nacht wieder mit dieser Frau zusammen. Und ich hatte einen Albtraum neben ihr. In meinem Hirn lauern Träume, Papa, und eigentlich hätte ich mit dir darüber sprechen müssen. Ich habe dir nie gesagt, dass ich einen Menschen erschossen habe. Ich habe dir auch nie gesagt, dass ich meinen Dienst bei der Polizei deswegen aufgeben musste, weil ich mich bei einem Einsatz knochentief und dreißig Zentimeter lang über dem rechten Handgelenk verletzt habe, was dazu führte, dass ich mit rechts nicht mehr so gut schießen konnte wie mit links. Ja, Papa, wir beim SEK mussten mit rechts wie mit links schießen können. Und ich war mit Abstand der beste Schütze mit der Faustfeuerwaffe und dem Präzisionsgewehr, mit links und mit rechts. Meine Ausbilder haben gesagt: Er verschmilzt mit der Waffe. Ja, ich weiß, Papa, ich weiß genau, was du gesagt hättest. Wie kann man einen Beruf ergreifen, in dem man danach beurteilt wird, wie gut man schießt? Mit anderen Worten: Wie gut man einen Menschen erschießt. Du hättest getobt, Papa, du hättest mich einen potenziellen Mörder genannt, und du hättest mich gefragt, was ich denn, um Himmels willen, in so einem Männerklub zu suchen habe. Und du wärst mir todsicher mit falsch verstandenem Vaterland und Dienst für einen nichtsnutzigen Staat gekommen, dabei war ich dort zu Hause, Papa. Es war mein Orden, und an den Staat haben wir nie gedacht.
    Ich erinnere mich an die Szene, als ich dir nach dem Polizeidienst sagte, ich würde jetzt erst einmal studieren, ehe ich einen anderen Job antrete. Ich erinnere mich, weil es in deinem Arbeitszimmer war, mit dem riesigen Schreibtisch und den hohen Türen zum Garten. Der Raum hat mir immer Angst gemacht. Ich sah dein Gesicht, ich sah, wie die Hoffnung darin aufkeimte, und ich hörte dich sagen: »Prima! Endlich findest du deine wahre Linie!« Und als ich sagte, ich würde Politik studieren mit dem Schwerpunkt Naher Osten und außerdem Arabisch lernen, da sackte dein Gesicht nach unten wie diese verlaufenden Uhren von Dalí. Und du hast arrogant gefragt, wozu denn das nützlich sein könnte. Du hattest keine Ahnung, dass ich schon im nächsten Orden steckte, diesmal beim Bundesnachrichtendienst, diesmal bei den Jägern der Nachrichten. Und tatsächlich wolltest du auch Einzelheiten gar nicht wissen, weil du in deinen geliebten, so genannten seriösen Tageszeitungen gelesen hattest, dass meine Institution häufig versage und von Krisen geschüttelt werde. Aber das war immer nur ein Tausendstel der Wahrheit, denn wir sind verdammt gut. Natürlich abgesehen von den periodisch auftretenden Riesenschwätzern, die wir eine Zeit lang ertragen müssen. Und ich wollte nicht mit dir reden, dich auch nicht überzeugen, denn für mich warst du in diesen Jahren nichts anderes als ein Besserwisser, ein sturer Kopf, ja, ein leeres Hirn, das sich weigerte zu denken. Warum hast du mich nicht nehmen können, wie ich war? Du hast niemanden nehmen können, wie er war. Wahrscheinlich ist das ein Manko von Pädagogen. Und warum konnten wir nicht miteinander sprechen? Du hast mich zuweilen so eiskalt abfahren lassen, dass mir jede Frage verging.
    Er fuhr mit beiden Händen über den abgesplitterten Lack der Bank vor ihm.
    Er empfand es als einen schmerzlichen Zustand, dass niemand ihm widersprach, niemand Partei ergriff.
    Anna-Maria, fuhr er in seinen Gedanken fort, ich weiß nicht, wie ich dir das Durcheinander in mir erklären kann. Ich habe keine Ahnung, was du schon verstehst und was du nicht verstehen kannst. Und ich bin wahrscheinlich der schweigsame Sohn eines schweigsamen Vaters. Du wirst mich als Besucher erleben, als jemanden, der dich von Zeit zu Zeit besucht und fragt, ob wir zusammen ein Eis essen gehen oder einen Kinderfilm anschauen sollen. Als jemanden, der ein Leben lebt, von dem du kaum etwas weißt. Die Vorstellung macht mich verrückt, denn es wird so sein, dass ich dich verliere und dich niemals mehr so erleben werde, wie ich dich erlebt habe.
    Du siehst so süß aus, wenn du schläfst …

Zwischenspiel
     
    Achmed schlang das letzte Klebeband um Bombe Nummer zwei. Dabei sah er, dass er am rechten Unterarm Wunden hatte, die

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