Ein guter Mann: Roman (German Edition)
am Ende kaltmachen kann, weil du erst dann auf ewig die Schnauze halten wirst.«
Pjotr sah ihn an und lächelte. »Bei mir ist das etwas anderes, Damaskus. Ich bin gekommen, um die Sache durchzuziehen, aber niemand weiß, auf welchem Weg ich rausgehe aus Deutschland. Das weiß nur ich allein, mein Freund.«
»Aha«, sagte Achmed und ließ den Stachel tief im Fleisch. »Also, ich packe mal meine Tasche.«
Er brach sich ein Stück Brot ab und aß ein paar Oliven. Dann stopfte er seine Habseligkeiten in die Sporttasche und ging aus der Scheune in die Sonne. Er setzte sich abseits in das Gras, sodass er den Grabhügel von Dimitri sehen konnte. Und er hörte das Gluckern des kleinen Bachs.
Die Russen kamen heraus und setzten sich samt ihren Taschen zu ihm.
»Was machst du mit dem übrigen Material?«, fragte Achmed Pjotr.
»Nichts, das bleibt hier. Wir brauchen es nicht mehr. Wir brauchen auch den Laster nicht mehr, gar nichts mehr.«
»Aber die Scheune ist voller Spuren. Fingerabdrücke, was weiß ich nicht alles.«
Pjotr lächelte milde. »Damaskus. Kannst du dir vorstellen, dass ein deutscher Fahnder mit meinen Fingerabdrücken in Kirgisien auftaucht? Oder mit Jaromirs DNA in Wladiwostok? Wir sind wie Gespenster, Damaskus, wir tauchen auf und wieder unter.«
»Was ist mit euren verdammten Waffen?«
»Wir nehmen sie auf, wenn wir ankommen, wir benutzen sie, und wir lassen sie hier, wenn wir verschwinden. Waffen, Damaskus, gibt es wie Sand am Meer, niemand zählt sie. Und niemand stellt sie bei uns fest. Wenn wir gehen, sind wir Spaziergänger, die freundlich lächeln und kleinen Kindern ein Eis spendieren.«
»Und wenn du dann wieder nach Deutschland musst, wirst du geschnappt, weil sie hier deine Daten haben.«
»Wann muss ich nach Deutschland, Damaskus? Nach drei Jahren, nach fünf Jahren? Das ist morgen, ich lebe heute.« Er sagte: »Du wolltest mir noch die Namen deiner Freunde in Berlin nennen.«
»Ich habe keine«, wiederholte Achmed.
Dann war plötzlich entfernt ein Motor zu hören, und Pjotr griff nach der Maschinenpistole. Er sagte ein scharfes Wort zu den beiden Männern, die sich nicht bewegten, und huschte dann mit unglaublicher Leichtigkeit hinter den dicken Stamm einer Pappel.
Ein weißer Kleinlaster rumpelte heran.
Müller erreichte das Haus um 7.45 Uhr, schloss nicht auf, sondern schellte und wartete.
Anna-Maria öffnete ihm und rief entzückt: »Papa!« »Ja«, sagte er und kniete sich neben sie. »Wie geht es dir denn, mein großer Spatz?«
»Ich bin traurig. Gleich kommt Opa in die Erde.«
»Ja, das stimmt.«
»Wohnst du jetzt wieder hier?«
»Nein. Ich will nur ein paar Sachen holen.«
Melanie war in der offenen Tür. »Ich habe dir drei Koffer gepackt und lauter Kisten mit Büchern und Kleinkram. Steht hier alles fix und fertig.«
»Ich brauche den schwarzen Anzug«, sagte er. »Und irgendeine schwarze Krawatte.«
»Ich habe ein schwarzes Kleid«, sagte Anna-Maria. »Das sieht hübsch aus, mit so einem weißen Kragen. Das haben wir gekauft.«
»Am besten ist, du lädst das alles ein. Dann hast du es hinter dir. In dem hellen Koffer ist der schwarze Anzug.« Melanie drehte sich um und verschwand wieder.
Sie macht Tabula rasa, sie schottet sich ab, dachte er flüchtig. Dann nahm er seine Tochter auf den Arm und ging ins Haus.
»Es steht alles im Wohnzimmer«, rief Melanie aus der Küche. »Anna-Maria, komm, wir frühstücken.«
Er setzte seine Tochter ab. »Nun geh, du musst frühstücken. Das wird ein langer Tag.«
»Kommst du manchmal, wenn wir frühstücken, Papa?«
»Ja, mein Schatz.«
Dann sah er die Koffer und Kisten in dem dämmrigen Raum stehen, in dem wie üblich die Rollos halb heruntergelassen waren. Er dachte panisch: Ich weiß nicht, ob ich das wollte.
»Da war so ein komischer Anruf auf dem Anrufbeantworter.« Melanies Stimme kam völlig desinteressiert von irgendwoher.
»Ja, ich weiß«, sagte er augenblicklich. »Eine fehlgeleitete Nachricht, tut mir Leid. Wird nicht wieder vorkommen.«
Dann bückte er sich und nahm zwei Koffer. Er brauchte eine halbe Stunde, um alles in seinem Auto zu verstauen.
»Wir sehen uns dann auf dem Friedhof«, sagte er. Er bemühte sich, freundlich zu sein, aber er war es nicht wirklich. Er küsste Anna-Maria aufs Haar und ging dann mit einem stummen Nicken in Richtung Melanie.
Als er am Steuer saß und den Motor startete, war ihm für eine Sekunde klar, dass er in Selbstmitleid ertrank. Er beschimpfte sich
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