Ein guter Mann: Roman (German Edition)
zuletzt über diese Scheune geflogen?«, fragte Schneider.
»In der vergangenen Nacht. Da ich wusste, dass meine Beobachtungen wichtig sind, habe ich die Patrouillenflüge verdoppelt.«
»Und da gab es noch immer Männer?«
»Ich sah drei. Deutlich.«
»Waren diese Männer bewaffnet?«, fragte Müller.
»Das war das Erstaunliche. Will sagen: Sie waren bewaffnet. Mit Maschinenpistolen. Und Pistolen im Gürtel.«
Müller zog Achmeds Foto aus der Tasche und hielt es Spiderman hin. »War dieser Mann dabei?«
Spiderman betrachtete das Foto nur den Bruchteil einer Sekunde. »Aber ja. Positiv. Ich nehme an, er ist ein international gesuchter Gangster oder Terrorist. Will sagen: Ist er Ihre Zielperson?«
»Ja«, bestätigte Müller.
Schneider beugte sich vor. »Wissen Sie, ob diese Männer jetzt noch in der Scheune sind?«
»Das weiß ich nicht. Will sagen: Die meisten wissen nicht, dass ich nicht hellsehen kann. Ich bin Spidermans Sohn, aber kein Zauberer.«
»Sie werden sich wundern, meine Herren, über seine geschliffene Ausdrucksweise«, erläuterte der Arzt. »Aber mein Freund Hartmut, wie er im bürgerlichen Leben heißt, liest pro Tag etwa drei bis vier Stunden. Und falls Sie wissen wollen, wann Goethe in Weimar zum letzten Mal im Theater war: Hartmut weiß es.«
»Das ist sehr schön«, sagte Müller. »Ich bin beeindruckt, und ich danke sehr für die Auskünfte. Wo genau liegt diese Scheune?«
»Das ist einfach. Wenn Sie die Straße vor meinem Haus bis zum Ende fahren, beginnen drei Feldwege. Nehmen Sie den mittleren. Er führt Sie geradeaus etwa vier Kilometer weit, ist teilweise geteert, teilweise Sand, aber befahrbar. Dann kommt so etwas wie eine Kreuzung. Nehmen Sie den Weg nach rechts und folgen Sie ihm zwei Kilometer. Dort teilt sich der Weg. Nehmen Sie den nach links. Nach tausend Metern kommen Sie direkt zur Scheune.«
»Augenblick«, sagte Schneider. »Wie liegt diese Scheune? Das heißt, von welchem Punkt aus kann ich sie sehen?«
»Das ist noch einfacher«, sagte Spiderman. »Will sagen: Sie sehen aus ungefähr tausend Metern Entfernung zunächst die Pappelreihe. Dann sehen Sie das Dach der Scheune, weil die in einer Falte im Gelände liegt. Will heißen: Nach taktischen Gesichtspunkten müssten Sie Ihr Fahrzeug etwa tausend Meter vor der Scheune abstellen und den Rest zu Fuß hinter sich bringen. Als Deckungsmöglichkeit gibt es Felder mit halbhohem Mais und Weizen.«
Müller murmelte: »Verblüffend. Ich danke Ihnen noch einmal.«
Sie schüttelten ihm die Hand und gingen hinaus.
»Lass mich mit meinen Leuten konferieren«, bemerkte Schneider. »Wie schätzt du Spiderman ein?«
»Ich nehme ihn ernst, bitterernst.«
»Ich auch. Ich bin in drei Minuten fertig.« Er stieg in den Bus.
Achmed, dachte Müller, ich hoffe, ich finde dich nicht in dem Grab.
Die Tür des Busses öffnete sich, und Schneider sagte: »Wir können, Charlie.«
Dann sprach er in sein Mikrofon mit irgendwelchen Institutionen und Menschen, von denen Müller nicht die geringste Vorstellung hatte, während Schorsch mit hoher Geschwindigkeit durch die Felder fuhr.
»Kalli und Bruno Schutzkleidung komplett«, ordnete Schneider an. »Die Übrigen Helme auf, Gegensprechanlagen durchtesten, Waffen fertig machen. Damit das klar ist: Wir machen die klassische Zangenbewegung. Das heißt drei Mann rechts, drei Mann links. Erst wenn wir die Scheune sehen können, kommen die Übrigen in drei Gruppen zu zwei Mann aus den Feldern oberhalb der Scheune. Zu Charlies Bedeckung brauchen wir niemanden mehr. Er wird nachkommen.« Er machte eine kleine Pause. »Ich habe mich entschieden, in Anbetracht unseres Zieles hart vorzugehen. Bei Gegenwehr töten wir.«
»Ich sehe die Pappeln«, sagte Schorsch hinter dem Steuer.
»Okay, wir halten an und starten. Charlie, dringender Appell an deine Disziplin: Bleib hier beim Bus, bis meine Stimme über Lautsprecher kommt. Dann kannst du den Bus mitbringen.«
Achmed, dachte Müller, bring dich in Sicherheit, sonst bist du tot. Karen, warte auf mich in Berlin. Papa, ich gehe jede Wette ein: Wenn du mich jetzt sehen könntest, wärst du wahrscheinlich stolz. Und Mama, du würdest jetzt ganz ernsthaft behaupten: Mein Sohn rettet gerade das Vaterland.
Er musste grinsen, als er das dachte, denn im Moment war er sehr weit vom Krieg entfernt, und andere trugen ihre Haut zu Markte. Aber wenn er in sich hineinhorchte, war er stolz, wenigstens besuchsweise zu diesem Haufen zu gehören. Er ertappte sich
Weitere Kostenlose Bücher