Ein gutes Omen
puritanisches
Parlament hatte Weihnachten im Jahre 1654 für illegal erklärt, und somit brachten
Bilton und Scaggs das erste Buch in England heraus, das remittiert werden
mußte.]
Es verkaufte
sich nicht.
Sogar die
Ausgabe im Schaufenster blieb liegen, obwohl ein kleines Pappschild darauf
hinwies, das Buch stamme von einem ›ortsansähßigen Author‹.
Die Autorin,
eine gewisse Agnes Spinner, war keineswegs überrascht. Nun, es war praktisch
kaum möglich, Agnes Spinner zu überraschen.
Sie hatte das
Buch nicht geschrieben, um Ruhm zu erwerben oder Geld zu verdienen. Nein, sie
verfaßte es, um das ihr zustehende Belegexemplar zu bekommen.
Niemand weiß,
was aus den vielen unverkauften Folianten geworden ist. Kein einziger fand den
Weg in Museen oder private Sammlungen. Selbst Erziraphael besaß keine Ausgabe –
ihm wurden die Knie weich, wenn er daran dachte, ein solches Buch in die
prächtig manikürten Finger zu bekommen.
Auf der ganzen
Welt gab es nur noch ein Exemplar von Agnes Spinners Prophezeiungen.
Es stand in
einem Regal, etwa vierzig Meilen von dem Ort entfernt, an dem Crowley und
Erziraphael ein ziemlich gutes Mittagessen genossen. Und es begann gerade zu
ticken, bildlich gesprochen.
Jetzt war es drei Uhr. Der
Antichrist befand sich schon seit fünfzehn Stunden auf der Erde, und ein Engel
und ein Dämon waren drei von den fünfzehn Stunden damit beschäftigt, exzessiv
zu trinken.
Sie saßen sich
im Hinterzimmer von Erziraphaels altem Buchladen in Soho gegenüber.
Die meisten
Buchläden in Soho haben Hinterzimmer, und fast alle dienen zur Lagerung
seltener – oder zumindest sehr teurer – Bücher. Erziraphaels Bücher enthielten
allerdings keine Illustrationen. Sie hatten braune Umschläge und eingerissene Seiten.
Manchmal, wenn dem Engel keine andere Wahl blieb, verkaufte er einen Band.
Hin und wieder
kamen sehr ernst wirkende, in dunkle Anzüge gekleidete Männer und gaben höflich
zu verstehen, Erziraphael solle seinen Laden verkaufen, damit er in ein
Geschäft verwandelt werden könne, das besser in die Gegend passe. Manchmal
boten sie Bargeld an: dicke, schmuddelige Bündel aus Fünfzig-Pfund-Noten. Dann
und wann gesellten sich andere Männer hinzu (ihre dunklen Sonnenbrillen
erinnerten den Engel an Crowley), wanderten durch den Raum, schüttelten
bedeutungsvoll den Kopf und sprachen Sätze wie: »Tja, Papier brennt leicht.
Wenn hier ein Feuer ausbräche, wären Sie arm dran.«
Bei solchen
Gelegenheiten nickte Erziraphael, lächelte und versprach, darüber nachzudenken.
Woraufhin die Männer gingen – und nie zurückkehrten.
Als Engel
brauchte man nicht unbedingt ein Narr zu sein.
Mehrere
Flaschen standen auf dem Tisch.
»Ich meine«,
sagte Crowley. »Ich meine. Ich meine.« Er versuchte, seinen Blick auf
Erziraphael zu richten.
»Ich meine«,
wiederholte er und überlegte, was er meinte.
Schließlich
erhellte sich seine Miene. »Ich will auf folgendes hinaus«, verkündete er. »Auf
Delphine. Ja, das meine ich.«
»Eine Art
Fisch«, erwiderte Erziraphael.
»Neinneinnein«,
widersprach Crowley und schüttelte den Zeigefinger. »Es sin’ Säugetiere. Ja,
echte Säugetiere. Der Unterschied …« Crowley watete durch den Sumpf seiner
Benommenheit und suchte nach den richtigen Worten. »Der Unterschied zwischen
Fischen und Säugetieren …«
»Letztere
vermehren sich außerhalb des Wassers?« vermutete Erziraphael.
Crowley
runzelte die Stirn. »Nein, ich glaube nich’. Ich bin ziemlich sicher, esch gibt
einen anderen wichtigen Unterschied. Hat irgend etwas mit den Nachkommen zu
tun. Mit den Jungen. Den Kindern. Was auch immer.« Er holte tief Luft. »Ich meine.
Ich meine. Die Gehirne.«
Er griff nach
einer Flasche.
»Was ist
damit?« fragte der Engel.
»Delphine haben
große Gehirne. Das meine ich. Sind so groß wie. So groß wie. Sin’ ziemlich
groß. Und dann die Wale. Haben Gehirne wie Städte, kannst mir’s ruhig glauben.
Das ganze verdammte Meer ist voll von Gehirnen.«
»Der Krake«,
sagte Erziraphael und starrte verdrossen in sein Glas.
Crowley schaute
ihn mit dem langen kalten Blick von jemandem an, vor dessen Gedankenstrom sich
gerade ein Schleusentor geschlossen hatte.
»Wie?«
»Der Krake«,
brummte Erziraphael. »Ein riesiges Tier. Echt gewaltig. Schlafet in den Tiefen
des Meeres, unter viel, äh, Wasser. Und unter vielen – wie heißen die Dinger? –
Algen und so. Esch heißt, er komme an die Oberfläche, wenn das Meer zu
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