Ein gutes Omen
Ausflug, wenn draußen
die Sonne scheinet. Darin isset niemand mehr so doof, in einer kleinigen,
stickigen Kammer herumzuhocken und blödige Bleibuchstaben aneinanderzureihen.@ ½ ¼ ♦ » @ ; ! ♦
6. Neben
Ephraim soll Ruben seinen Anteil haben von Osten bis nach Westen.*
[* Die Verdammter Mist-Bibel war auch dafür bekannt, daß sie im
dritten Kapitel des Ersten Buch Mose siebenundzwanzig anstatt der üblichen
vierundzwanzig Verse anbot. Die entsprechende Stelle lautete:
24. Und er trieb den Menschen hinaus und
ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden
Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.
25. Und der Herr sprach zu dem Engel,
der wachte vor dem Osttor: »Wo ist das flammende Schwert, das dir gegeben
ward?«
26. Und der Engel sagte: »Eben hatte ich
es noch. Muß es irgendwo verlegt haben. Meine Güte, ich vergesse noch meinen
eigenen Kopf.«
27. Und der Herr fragte ihn nicht noch
einmal.
Offenbar fügte man jene Verse während der
Korrekturphase hinzu. Damals hatten Druckereichefs die Angewohnheit,
Probedrucke an die Balken vor dem Haus zu hängen, zur Erbauung des Volkes und
gleichzeitig zum kostenlosen Korrekturlesen. Da kurze Zeit später alle Fahnen
verbrannten, machte sich niemand die Mühe, den netten Herrn Erzi Raphael zu
konsultieren, der auf der anderen Straßenseite einen Buchladen führte. Er half
bei Übersetzungen, und seine Handschrift war auf den ersten Blick wiederzuerkennen.]
Zu Bilton und
Scaggs’ zweiter Publikations-Katastrophe kam es im Jahr 1653. Durch einen
wahrhaft bemerkenswerten Glücksfall erhielten die beiden Verleger eine zwar
abgegriffene, aber literarisch außerordentlich wertvolle Broschüre. Sie enthielt
eins der drei noch nicht in Foliantform veröffentlichten Lustspiele
Shakespeares, die den heutigen Gelehrten und Theaterbesuchern völlig unbekannt
sind. Nur wenige Eingeweihte kennen ihre Namen. Dies war das erste Werk des
großen Meisters, und es hieß Robin Hoode, oder: Dher Wald fon
Sherwoode.* [* Falls Sie sich für die Titel der beiden anderen interessieren: Das Fangen dher Maus und GoIdgräbiger von von 1589.]
Bilton hatte fast sechs Guineen für die Broschüre bezahlt und hoffte,
mit der Hardcover-Version das Doppelte zu verdienen.
Dann verlor er
das Heft – was der Grund dafür ist, daß die drei ersten Stücke Shakespeares
heute nicht mehr aufgeführt werden können.
Bilton und
Scaggs’ dritte Publikations-Katastrophe blieb beiden Verlegern ein Rätsel.
Wohin man auch blickte: Überall verkauften sich prophetische Bücher wie warme
Semmeln. Die englische Ausgabe der Jahrhunderte von Nostradamus wurde gerade zum drittenmal aufgelegt; vier
Nostradamusse – natürlich behauptete jeder, der echte zu sein – zogen
triumphierend durchs Land und gaben Autogramme. Mutter Shiptons Gesammelte
Prophezeiungen konnten gar nicht so
schnell gedruckt werden, wie sie Käufer fanden.
Jeder große
Londoner Verlag (es gab insgesamt acht) hatte zumindest ein Prophezeiungsbuch
im Programm. Die betreffenden Autoren wählten recht vage Formulierungen, um
zukünftige Ereignisse zu beschreiben, aber dadurch schufen sie eine höchst
populäre Aura mystischer Allmacht. Sie brachten Tausende, sogar Zigtausende von
Exemplaren unter die Leute.
»Genausogut
könnte man Gelt druckigen!«* [* Bilton hatte
schon vorher mit diesem Gedanken gespielt und unternahm schließlich einen
entsprechenden Versuch. Kurz darauf lieferte man ihn ins Newgate-Gefängnis ein,
und dort verbrachte er den Rest seines Lebens.] wandte sich Bilton eines Tages an
seinen Kompagnon Scaggs. »Das Volk verlanget nach solchigem Unsinn! Wir müsset
sofort irgenteinen Blödmann finden, dher uns ein profetisches Buch schreibet!«
Am nächsten
Morgen lag das Manuskript vor der Tür. Wie üblich bewies der Autor ein gutes
Gefühl fürs Timing.
Bilton und
Scaggs wußten es natürlich nicht: Sie kauften das einzige prophetische Werk in
der ganzen Menschheitsgeschichte, das ausschließlich aus genauen Voraussagen
für die nächsten gut dreihundertvierzig Jahre bestand. Völlig präzise und
zutreffend beschrieb es die Ereignisse, die ihren Höhepunkt schließlich im
Weltuntergang erreichen sollten. Jede Einzelheit entsprach der – zukünftigen –
Wahrheit.
Das Buch wurde
im September 1655 veröffentlicht, rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft.* [* Ein wahrer
Geniestreich verlegerischer Intelligenz: Oliver Cromwells
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