Ein gutes Omen
welches Risiko er damit eingeht«,
antwortete Crowley. Er steuerte den immer schneller werdenden Bentley zwischen
einem geparkten Wagen und einem Taxi hindurch. Der Platz rechts und links hätte
nicht einmal für eine Kreditkarte genügt.
»Die Straße!
Bleib auf der Straße! Übrigens, wo befindet sich das Krankenhaus?«
»Irgendwo
südlich von Oxford.«
Erziraphael
hielt sich am Armaturenbrett fest. »Um diese Zeit kannst du in Central London
unmöglich mit neunzig Meilen die Stunde fahren!«
Crowley blickte
auf den Tacho. »Warum nicht?«
»Du bringst uns
um!« Der Engel zögerte kurz. »Ich meine, du verursachst eine vorübergehende
Entkörperlichung«, fügte er unsicher hinzu und entspannte sich ein wenig. »Und
du könntest Menschen töten.«
Crowley hob die
Schultern. Erziraphael mußte sich erst noch ans zwanzigste Jahrhundert
gewöhnen. Er wußte nicht, daß es durchaus möglich war, mit neunzig Meilen in
der Stunde über die Oxford Street zu fahren – vorausgesetzt, man traf die notwendigen
Vorbereitungen und sorgte dafür, daß keine Hindernisse auftauchten. Und da
jedermann wußte, daß es unmöglich war, auf der Oxford Street eine
Geschwindigkeit von neunzig Meilen in der Stunde zu erreichen, achtete niemand
auf den schwarzen Bentley.
Und schließlich
waren Autos eine wesentlich bessere Sache als Pferde. Den Verbrennungsmotor
hielt Crowley für ein gottge … für ein gesegn … für einen
unverhofften Glücksfall. Wenigstens brauchte er jetzt im Dienst keine großen
schwarzen Rösser mehr zu benutzen. Er verzog das Gesicht, als er sich an
glühende Augen und Hufe erinnerte, von denen dauernd Funken stoben – so etwas
war unerläßlich für einen Dämonen. Außerdem neigte er dazu, immer wieder auf
harten Boden zu fallen. Nein, mit Tieren kam er einfach nicht zurecht.
In der Nähe von
Chiswick öffnete Erziraphael das Handschuhfach und sah sich die Kassetten an.
»Was ist Velvet
Underground?« fragte er.
»Gefällt dir
bestimmt nicht«, antwortete Crowley.
»Oh«, seufzte
der Engel. »Bebop.«
Der Dämon
schnitt eine Grimasse. »Weißt du, Erziraphael: Wenn man eine Million Menschen
bäte, moderne Musik zu beschreiben … Ich bezweifle, ob auch nur ein
einziger den Ausdruck ›Bebop‹ verwenden würde.«
»Ah,
Tschaikowski«, murmelte der Engel zufrieden. »Schon besser.«
Er nahm die
Kassette aus dem Kästchen und schob sie in den Recorder.
»Wahrscheinlich
steht dir eine Überraschung bevor«, sagte Crowley. »Das Ding liegt schon seit
mehr als zwei Wochen im Wagen.«
Dumpfe
Baßklänge dröhnten aus den Lautsprechern, als der Bentley an Heathrow
vorbeiraste.
Erziraphael
runzelte die Stirn.
»Das höre ich
zum erstenmal«, gestand er ein. »Wie heißt das Stück?«
»Das ist
Tschaikowskis Another One Bites the Dust«, erwiderte Crowley und schloß die Augen, als sie durch Slough fuhren.
Im Bereich der
Chiltern Hills vertrieben sie sich die Zeit, indem sie den Melodien von
Williams Byrds We are the Champions und Beethovens I Want To Break Free lauschten.
Vaughan
Williams’ Fat-Bottomed Girls war noch weitaus besser.
Es heißt, die Musik des
Teufels sei besonders verlockend.
Das stimmt im
großen und ganzen. Aber dafür hat der Himmel die besseren Choreographen.
Im Westen erstreckte sich
die Ebene von Oxfordshire. Hier und dort deuteten Lichter auf schlummernde Orte
hin, in denen ehrbare Freibauern nach einem anstrengenden Tag als Redakteur,
Finanzberater oder Software-Entwickler zu Bett gingen.
Über den
Hügelhängen blinkten die ersten Glühwürmchen.
Der
Landvermessungs-Theodolit gehört zu den unheilvolleren Symbolen des zwanzigsten
Jahrhunderts. Wenn er irgendwo in freiem Gelände steht, lautet die Botschaft
folgendermaßen: Hier wird die Straße verbreitert, fürwahr, und hinzu kommen
Apartmenthäuser mit insgesamt zweitausend Wohnungen, wobei sich die Architekten
natürlich an der allgemein-rustikalen Atmosphäre des Dorfes orientieren. Und
siehe: Es sind auch Villen für Manager, Geschäftsführer und leitende
Angestellte mit dicker Brieftasche geplant.
Aber selbst die
fleißigsten Landvermesser machen lange vor Mitternacht Feierabend. Trotzdem
stand hier ein Theodolit, die drei Beine fest im Boden. Nur wenige Theodoliten
sind mit Haselnußzweigen, Kristallpendeln und keltischen Runen ausgestattet.
Die leichte
Brise zupfte am Mantel der schlanken Gestalt, die gerade ihr Instrument
justierte. Der Mantel war dick, wasserdicht und mit warmem Pelz gefüttert.
Die
Weitere Kostenlose Bücher