Ein gutes Omen
Bentley hielt an.
Erziraphael
blinzelte, ließ die Hände sinken und öffnete langsam die Tür.
»Du hast
jemanden überfahren«, warf er dem Dämon vor.
»Nein«,
widersprach Crowley, »jemand ist von hinten auf den Wagen geprallt.«
Sie stiegen
aus, und einige Sekunden später stellte Erziraphael fest, daß Crowley recht
hatte. Hinter dem Bentley lag ein Fahrrad: Das vordere Rad bildete eine
passable Möbiusschleife, und das andere kam mit einem leisen, unheilvollen
Klicken zum Stillstand.
»Es werde
Licht«, sprach der Engel. Und es ward Licht: Blaues Glühen erhellte die
unmittelbare Umgebung.
Im
Straßengraben ertönte eine Stimme. »He, wie haben Sie das angestellt?«
Sofort
verblaßte das Licht.
»Was meinen
Sie?« fragte Erziraphael schuldbewußt.
»Äh.« Die
Stimme klang nun benommen und verwirrt. »Ich glaube, ich bin irgendwo mit dem
Kopf angestoßen …«
Crowley starrte
auf den langen Kratzer im Lack des Bentley, betrachtete auch die Beule im
Kotflügel. Er winkte kurz. Die Beule verschwand, und die Wunde in der schwarzen
Haut des Wagens heilte.
»Kommen Sie,
junge Dame, ich helfe Ihnen«, sagte Erziraphael, stützte Anathema und führte
sie auf die Straße zurück. »Nichts gebrochen.« Es war eine Feststellung, keine
Frage. Der Engel hatte eine kleine Fraktur festgestellt und sofort die
Gelegenheit genutzt, Gutes zu tun.
»Ihr Licht
brannte nicht«, klagte Anathema.
»So wenig wie
die Lampe Ihres Fahrrads«, erwiderte Crowley zerknirscht. »Damit sind wir
quitt.«
»Wir haben
vermutlich die Sterne beobachtet, stimmt’s?« erkundigte sich Erziraphael und
richtete das Fahrrad auf. Verschiedene Dinge fielen aus dem Korb. Der Engel
deutete auf die Reste des zerbrochenen Theodoliten.
»Nein«, sagte
Anathema. »Ich meine, ja. Und sehen Sie nur, was Sie mit meinem armen alten
Phaeton gemacht haben.«
»Wie bitte?«
entgegnete Erziraphael.
»Mein Fahrrad.
Alles ist völlig verbogen und …«
»Tja, diese
alten Modelle sind erstaunlich widerstandsfähig, nicht wahr?« sagte der Engel
fröhlich und deutete nach unten. Das Vorderrad glänzte im Mondschein und war so
rund wie die Kreise der Hölle.
Anathema hob
verwundert die Brauen.
Crowley räusperte
sich. »Nun, es scheint alles in bester Ordnung zu sein. Mit anderen Worten: Wir
können die Fahrt nach äh. Äh. Sie kennen nicht zufällig den Weg nach Lower
Tadfield, oder?«
Anathemas Blick
galt weiterhin ihrem Fahrrad. Sie konnte sich nicht an die kleine Satteltasche
mit dem Flickzeug erinnern.
»Lower
Tadfield?« wiederholte sie. »Folgen Sie einfach der Straße. Ist dies wirklich mein Fahrrad?«
»Oh,
natürlich«, antwortete Erziraphael und fragte sich, ob er vielleicht ein wenig
übertrieben hatte.
»Ich bin
allerdings sicher, daß
Phaeton nie eine Luftpumpe hatte.«
Der Engel
senkte verlegen den Blick.
»Aber eine
Stelle ist dafür vorgesehen«, entgegnete er hilflos. »Die beiden Haken dort …«
»Diese Straße
führt nach Lower Tadfield?« Crowley stieß den Engel unauffällig in die Rippen.
»Ich glaube,
ich habe eine Gehirnerschütterung oder so was.« Anathema blickte auf Phaeton
hinab und schüttelte den Kopf.
»Wir nähmen Sie
natürlich mit«, sagte der Dämon rasch, »aber leider haben wir keinen Platz für
Ihr Fahrrad.«
»Abgesehen vom
Dachgepäckträger«, warf Erziraphael ein.
»Ein Bentley
ist mit keinem … Oh! Hmm.«
Erziraphael
sammelte die aus dem Korb gefallenen Gegenstände ein, legte sie in den Fond des
Wagens und half der jungen Frau beim Einsteigen.
»Wir sind zur
Nächstenliebe verpflichtet«, wandte er sich an Crowley.
»Du schon. Ich
nicht. Außerdem müssen wir uns um einige wichtige Dinge kümmern.« Der Dämon betrachtete den neuen Dachgepäckträger und
seufzte leise, als er die Befestigungsriemen mit dem Schottenkaro sah.
Das Fahrrad
stieg auf und befestigte sich von ganz allein. Anschließend nahm Crowley am
Steuer Platz.
»Wo wohnen Sie, Teuerste?« fragte
Erziraphael betont freundlich.
»Eigentlich
hatte mein Rad gar keine Lampe«, sagte Anathema. »Ich meine, es hatte eine.
Aber sie funktionierte mit zwei Batterien, die schon nach kurzem leer waren,
und deshalb habe ich sie herausgenommen.« Sie maß Crowley mit einem
durchdringenden Blick. »Wissen Sie, ich bin mit einem Brotmesser bewaffnet.
Glaube ich.«
Erziraphael
wirkte schockiert.
»Madame, ich
versichere Ihnen …«
Crowley
schaltete die Scheinwerfer ein. Er brauchte kein Licht, um zu sehen, aber es
sorgte dafür,
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