Ein gutes Omen
Bemerkung klingen zu lassen, doch es
gelang ihm nicht recht. Crowley und Erziraphael fanden Gefallen an den
weltlichen Dingen und wollten sie so lange wie möglich genießen, aber abgesehen
davon gab es zwischen ihren Meinungen erhebliche Unterschiede. In einem Punkt allerdings
vertraten sie den gleichen Standpunkt: Sie fanden Menschen, die aus
irgendwelchen Gründen den Fürsten der Finsternis verehrten, nicht sonderlich
sympathisch. Derartige Leute weckten Verlegenheit in Crowley. Er konnte sich
nicht dazu durchringen, unfreundlich zu ihnen zu sein, doch er begegnete ihnen
mit den gleichen Empfindungen, die ein Vietnam-Veteran hätte, wenn er bei einem
Treffen des Nachbarschaftsschutzvereins jemanden im Kampfanzug sähe.
Außerdem
offenbarten Satanisten häufig einen geradezu niederschmetternden Enthusiasmus.
Man denke nur daran, was sie mit umgedrehten Kreuzen, Pentagrammen und Hähnen
alles anstellten. Entsprechende Zeremonien und Rituale verblüfften die meisten
Dämonen. Sie waren überhaupt nicht notwendig. Es genügte reine Willenskraft, um
zu einem Satanisten zu werden. Man konnte sein Leben lang Satanist sein, ohne
jemals zu wissen, was ein Pentagramm war, und ohne einen toten Hahn anders als
in Form eines Grillhähnchens gesehen zu haben.
Außerdem:
Manche der klassischen Satanisten erwiesen sich als recht nett. Sie
formulierten die üblichen Beschwörungen, fügten angemessene Gesten hinzu und
zeigten damit das gleiche Verhaltensmuster wie ihre religiösen Gegner.
Anschließend gingen sie zufrieden nach Hause und führten für den Rest der Woche
ein Leben anspruchsloser Mittelmäßigkeit, ohne an irgend etwas Höllisches zu
denken.
Aber es gab auch
andere Satanisten.
Wenn Crowley an
sie dachte, lief es ihm kalt über den Rücken. Es lag nicht in erster Linie an
ihrem Handeln, sondern daran, daß sie für alles die Hölle verantwortlich
machten. Sie ließen sich irgend etwas Schauderhaftes einfallen, das selbst dem
phantasievollsten Dämon nie in den Sinn gekommen wäre (gemeint sind Dinge, die
nur ein voll funktionsfähiges menschliches Gehirn konzipieren kann), und dann
riefen sie: ›Der Teufel hat mich dazu gezwungen!‹ Was ihnen das Mitleid des
Gerichts einbrachte – obwohl der Teufel nur selten jemanden zu etwas zwang.
Warum auch? Die Menschen begriffen einfach nicht, daß die Hölle keineswegs ein
Reservoir des Bösen darstellte und daß der Himmel, wie Crowley glaubte, alles
andere war als ein Quell des Guten. Es handelte sich nur um die beiden Seiten
beim kosmischen Schachspiel. Wahrhaftiges Unheil und echte Gnade fanden sich
einzig und allein im menschlichen Bewußtsein.
»Hmm«, brummte
Erziraphael. »Satanisten.«
»Ich halte es
für ausgeschlossen, daß ihnen irgendein Fehler unterlief«, entschied Crowley.
»Ich meine, es ist doch ganz einfach, zwei Säuglinge zu vertauschen. Dabei
verliert man kaum die Übersicht. Man muß nur ein wenig aufpassen …« Der
Dämon schwieg plötzlich. Im Nebel seines Gedächtnisses formten sich die
Konturen einer kleinen Nonne, die ihm damals recht zerstreut erschienen war,
selbst für eine Satanistin. Und die Erinnerungsbilder zeigten ihm noch etwas
anderes: eine Pfeife und eine Strickjacke, die schon im Jahr 1938 als
altmodisch galt. Er erinnerte sich an einen Mann, der ein imaginäres Schild mit
der Aufschrift ›Werdender Vater‹ hielt.
Es mußte noch
ein drittes Baby gegeben haben.
Er erzählte
Erziraphael davon.
»Das bringt uns
nicht viel weiter«, erwiderte der Engel.
»Eins steht
fest: Das Kind existiert«, sagte Crowley. »Woraus folgt …«
»Woher willst
du das wissen?«
»Wenn es nach Unten zurückgekehrt wäre, meinst du, dann wären wir
noch hier?«
»Klingt
logisch.«
»Wir brauchen
es also nur zu finden«, fuhr Crowley fort. »Ich schlage vor, wir sehen uns die
Akten im Krankenhaus an.« Der Motor des Bentley hustete, räusperte sich und
grollte hingebungsvoll. Der Wagen raste los, und Erziraphael wurde in den Sitz
gepreßt.
»Und dann?«
fragte er.
»Dann finden
wir das Kind.«
»Und dann? «Erziraphael
schloß die Augen, als der Bentley um eine Ecke schoß.
»Keine Ahnung.«
»Bei allen
Heiligen …«
»Ich nehme an – verschwinde von der Straße, du Clown –, deine Kollegen im Himmel – guck sich einer
den blöden Motorroller an – sind nicht
bereit, mir Asyl zu gewähren, oder?«
»Ich wollte
gerade eine ähnliche Frage an dich richten … Achtung, der
Fußgänger! «
»Er steht auf der Straße und weiß,
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