Ein gutes Omen
irgendwo Bilder von Fröschen und so.« Er fand
allmählich Gefallen an der Vorstellung, daß eine Hexe in Tadfield wohnte. Sie
war wie das Salz in der Suppe seiner Phantasie. »Und von aufgespießten
Krötenköpfen und so. Und von mehreren Katzen, die aufeinander stehen.«
»Nun, deine
Tante könnte durchaus eine Hexe sein«, murmelte Pepper nachdenklich.
»Insgeheim, meine ich. Vielleicht ist sie tagsüber deine Tante und reitet des
Nachts auf Besenstielen.«
»Nicht meine Tante«, entgegnete Wensleydale finster.
»Und große
Kochtöpfe«, sagte Brian. »Hexen rühren immer in irgendwelchen Kesseln und
brauen etwas zusammen. Krötensuppe oder so.«
»Ach, halt die
Klappe!« zischte Pepper.
Brian schnaubte
leise. Wenn Wensley eine solche Bemerkung an ihn gerichtet hätte, wäre es
bestimmt zu einer freundschaftlichen Rauferei gekommen. Aber die anderen hatten
schon vor einer ganzen Weile begriffen, daß Pepper dazu neigte, die
ungeschriebenen Gesetze freundschaftlicher Raufereien vollständig zu mißachten.
Für ein elfjähriges Mädchen trat und biß sie mit erstaunlicher körperlicher
Zielsicherheit. Außerdem waren die Jungen inzwischen alt genug, um folgende
Feststellung zu machen: Wenn sie Pep berührten, sahen sie bestimmte Dinge
plötzlich aus einem ganz anderen Blickwinkel, und dann regten sich ebenso
sonderbare wie verwirrende Empfindungen in ihnen – ganz abgesehen davon, daß
man mit einem blitzartigen Fausthieb rechnen mußte, der selbst Karate Kid zu
Boden geschickt hätte.
Trotzdem war
sie ein geschätztes und nützliches Bandenmitglied. Als Greasy Johnson und seine Gang darüber spotteten, daß Adam, Brian und
Wensleydale mit einem Mädchen spielten, reagierte Pepper mit solchem Zorn, daß
am Abend Greasys Mutter kam und sich beschwerte.
Sie hatte
kurzes rotes Haar, und ihr Gesicht schien eine einzige große Sommersprosse zu
sein, in der sich nur hier und dort Haut zeigte.
Peppers
Vornamen lauteten Pippin Galadriel Mondkind. Die Namensgebung fand in einem
schlammigen Tal statt, das drei kranke Schafe und einige undichte Plastiktipis
enthielt. Ihre Mutter hatte das walisische Tal Pant-y-Gyrdle (man nannte es auch
›Schnall-den-Gürtel-enger-und-hoffentlich-hast-du-genug-Penizillin-dabei‹)
gewählt, um zur Natur zurückzukehren. (Sechs Monate später hatte sie
verschiedene Dinge satt: Regen, Mücken, Männer und Schafe, die nur wenig
Respekt vor Zelten zeigten, erst die Marihuanapflanzen der
Aussteigergemeinschaft fraßen und sich dann den Kleinbus vornahmen. Als sie
allmählich begriff, warum die ganze menschliche Geschichte dem Versuch
gleichkommt, sich möglichst weit von der Natur zu entfernen, kehrte Peppers
Mutter zu ihren überraschten Eltern in Tadfield zurück, kaufte sich einen
Büstenhalter und belegte voller Erleichterung einen Soziologiekurs.)
Wenn ein
Mädchen Pippin Galadriel Mondkind heißt, so hat es nur zwei Möglichkeiten, dem
unausweichlichen Spott der restlichen Menschheit zu begegnen. Pepper entschied
sich für die zweite. Die drei männlichen Sie erfuhren im Alter von vier Jahren
davon, als sie den Kindergarten besuchten.
Sie fragten
Pepper nach ihrem Namen, und voller Unschuld gab sie die gewünschte Auskunft.
Kurz darauf war
ein Eimer Wasser nötig, um Pippin Galadriel Mondkinds Zähne aus Adams Schuh zu
lösen. Wensleydale brauchte eine neue Brille, und Brians Hemd wies fünf Löcher
auf.
Von jenem Tag
an blieben sie zusammen, und Pepper hieß für alle Pepper. Es gab nur wenige
Ausnahmen: Mutter Mondkind sowie die Angehörigen der einzigen anderen Bande im
Ort. Wenn sich Greasy Johnson und die Johnsoniten besonders mutig fühlten (und
wenn die Sie fast außer Hörweite waren), murmelten sie manchmal ein
vorsichtig-herausforderndes ›Pippin Galadnel‹. Oft bezahlten sie diesen Frevel
mit einigen recht schmerzhaften blauen Flecken.
Adam saß auf
einer Apfelsinenkiste, die ihm als Stuhl diente, und lauschte dem Gezänk mit
der Gelassenheit eines Königs, der sich das Geschwätz seiner Höflinge anhört.
Gedankenverloren
schob er sich einen Grashalm zwischen die Lippen. Es war Donnerstagmorgen, und
die Ferien reichten bis in die Ewigkeit, rein und unbefleckt. Und leer. Sie
mußten irgendwie gefüllt werden.
Er ließ seine
Phantasie auf dem Gesprächsstrom treiben. Um eine andere Metapher zu benutzen:
Er verhielt sich wie ein Prospektor, der in Kies und Sand nach dem Funkeln von
Gold Ausschau hält.
»In unserer
Sonntagszeitung stand, daß es überall im Land
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