Ein Hauch Vanille (German Edition)
sein wie er? fragte ich mich. In solchen Situationen tat ich
mich nämlich besonders schwer. Aber als Tom Cruise hatte man es natürlich auch
viel leichter, als ich mit meiner Sprungschanzen-Nase und den abstehenden
Spock-Ohren, tröstete ich mich selbst. Doch das schien Robert alles gar nicht
zu sehen. Mit geschwellter Brust präsentierte er mich seinen Mitschülern.
„Das ist meine Zwillingsschwester Lilly!“ Was mir äußerst unangenehm war, denn
daraufhin stierten mich alle umher Stehenden ungläubig an. Wieder einmal…
„ Das ist Lilly?“ fragte jemand und sah mich verwundert an. Nur zögerlich
grüßten sie mich. Enttäuschung lag in ihren Gesichtern. Vielleicht bildete ich
es mir auch nur ein, aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass sich jeder
einzelne fragte, warum wir uns, obwohl wir Zwillinge waren, so gar nicht
ähnlich sahen. Warum sah er so gut aus und warum musste ich das hässliche
Entlein verkörpern?
Was hat das denn nun schon wieder zu bedeuten? fragte ich mich und
sprach daraufhin nur kurz mit Robert. Danach verabschiedete ich mich gleich
wieder, weil ich mich in meiner Haut so unwohl fühlte.
Die
gesamte Klasse versammelte sich während jeder Pause vor der Tür und da ich noch
niemanden wirklich kannte, setzte ich mich allein in die hinterste Ecke, ans
Fenster. Nie wäre ich direkt auf Jemanden zugegangen, so selbstsicher war ich
nicht. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also wartete ich, bis irgendjemand
mich ansprach. Doch niemand machte auch nur irgendwelche Anstalten. Ich
überlegte was Robert tun würde. Sicher wäre er ohne zu zögern einfach auf
jemanden zugegangen und hätte ihn in ein Gespräch verwickelt. Aber wo lernt man
so etwas? Zu gern hätte ich diesen Teufelskreis durchbrochen, denn ich wollte
nur zu gern integriert werden, doch ich konnte einfach nicht aus meiner Haut. Ganz
im Gegensatz zu Tina, die in der Klasse am Tisch neben mir saß.
Jetzt allerdings stand sie ganz allein, weit entfernt am anderen Ende der
Fensterfront und beobachtete mich unauffällig. Als ich ihr ein freundliches
Lächeln zuwarf, kam sie direkt auf mich zu. Innerlich sprang ich vor Freude in
die Luft. Äußerlich jedoch regte ich mich nicht.
„Hast du Lust heute Nachmittag zu mir zu kommen? Wir könnten ein bisschen
Kicker spielen in der Eisdiele, “ sagte sie und setzte sich neben mich auf das
Fensterbankpodest.
„Ja, gerne!“ antwortete ich sofort, ohne darüber nachzudenken. Ich war ihr so
dankbar, dass sie den ersten Schritt getan hatte, wozu ich nicht im Stande war.
Nachdem die anderen Mädchen uns zusammen gesehen hatten, kam nun eine nach der
anderen hinzu und stellte sich mir vor. Das Eis war gebrochen, was einzig Tinas
Verdienst war.
In der Schule war sie sehr beliebt und ich fand mich in vielen Dingen in ihrer
Person wieder: Sie war genauso ehrgeizig wie ich, sodass sie beim Wettlauf auch
lieber tot umgefallen wäre, als jemanden freiwillig vorbeiziehen zu lassen. Zudem
litten wir unter denselben Familienverhältnissen, die auch der Grund dafür
waren, warum wir uns auf Anhieb so gut verstanden. Von den Jungs wurde sie
allerdings nur auf ihre Oberweite reduziert, die ihr den Spitznamen
“Tittenmonster“ gaben. Die unzähligen Anspielungen aufgrund ihrer extremen
Oberweite machten ihr aber nichts aus, jedenfalls tat sie immer so, als wäre es
ihr egal. Zudem war sie Hals über Kopf in Colin verknallt und redete bisweilen
von nichts anderem, was manchmal recht nervtötend war. Aber da reihte sie sich
nur in eine Schar von Mädchen ein, denn in Colin waren fast alle Mädchen der
Schule verschossen. Mit seinen dunklen, glatt nach hinten gekämmten Haaren,
erinnerte er mich, aufgrund seiner Coolness, irgendwie an Elvis. Doch leider
wusste er auch ganz genau, wie gut er aussah. Ich fand ihn ganz schön
eingebildet, aber das konnte mir sowieso ganz egal sein, denn mit mir hatte er
noch nie ein Wort gewechselt. Auf der Straße grüßte er mich nicht einmal,
obwohl er sogar in meine Klasse ging. Er gehörte zu den Typen, die durch dich
hindurch schauen, so, als wäre man Luft, unscheinbar, nicht vorhanden. Er
spielte in einer völlig anderen Liga. Optisch war Tina ja eher meine Liga, doch
davon ließ sie sich keineswegs beirren. Jeder wusste, dass sie in Colin
verknallt war und das Schlimmste wäre für mich gewesen, dass er dies auch
wusste. Aber das interessierte Tina ganz und gar nicht, sie hatte
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