Ein Hauch Vanille (German Edition)
auf meine Unterlippe, als ich die Tür des Kabinenrollers
seitlich hochklappen sah. Blitzblank geputzte, schwarze Schuhe, gefolgt von
Cans restlichem Körper kamen zum Vorschein. Im Sitz hinter ihm schlummerte
Michi noch immer.
Durch die Einnahme der Zauberpilze beflügelt, fühlte ich mich fast schon
übermenschlich stark und wollte ihm gerade entgegen stürmen. Doch dann
bemerkten wir überrascht, dass er nicht allein war. Er hatte Verbündete, die
nun aus dem Schutz der Büsche hervortraten, sich auf der Straße positionierten
und uns den Weg versperrten. Verunsichert sahen wir uns alle an, gingen einen
Schritt zurück, während unsere Blicke ängstlich zwischen Farnen, Bäumen und
Büschen umherschweiften. Wir wussten nicht was wir tun sollten, denn es waren
einfach zu viele. Wir hatten keine Chance.
„Hast du das gewusst?“ fragte ich Shane leise flüsternd, der mich nicht ansah,
sondern nur entsetzt den Kopf schüttelte.
„Ich glaube, wir haben ihn alle unterschätzt“, sagte er wie gelähmt. Auch Fara
machte einen verstörten Eindruck und schmiegte sich enger an Roberts Körper.
Obwohl sie offenbar keinerlei Waffen besaßen und uns auch mit sonst keinerlei Gebärden
drohten, übermannte mich doch ein Gefühl der Hilflosigkeit. Die Starre in ihren
Augen und dem Knistern, das in der Luft lag, konnten wir entnehmen, dass sie
uns auf keinen Fall vorbei lassen würden. Can, der den schlafenden Michi
mittlerweile auf dem Arm hielt, nahm eine beschützende Haltung ein und fast kam
es mir wie eine verkehrte Welt vor. Als wären wir hier die Bösen.
Can sah uns an, verzog aber keine Miene und lief weiter um das Gebäude herum,
auf der Suche nach einem Eingang. Plötzlich blieb er stehen, blickte in Höhe
der silberfarbenen Quadrate am Gebäude entlang und entdeckte ihn. In den
Quadraten eingebettet sah er eine leichte Türwölbung, daneben eine kleine
Öffnung für ein Psy.
Umständlich versuchte er Michis Psy dort hinein zu bugsieren, was ihm, weil ihm
die nötige Größe fehlte, sichtlich schwer fiel. Er stützte Michi mit einem
Knie, hielt ihn mit beiden Armen und versuchte sein Psy wie einen Schlüssel zu
benutzen. Gleich würden wir Michi für immer verlieren.
So ausweglos die Situation auch schien, wusste ich, ich musste etwas tun. Mein
Beschützer Instinkt erwachte in mir, eigentlich war er ja nie weg gewesen. Ich
würde es mir nie verzeihen, einfach nur dagestanden und zugeschaut zu haben.
Für ihn würde ich mein Leben geben, was ja sowieso keinen Cent mehr wert
gewesen wäre, wenn ich ohne ihn nach Hause kommen würde.
„Michi!“ schrie ich in meiner Panik, so laut ich nur konnte und wiederholte
seinen Namen immerzu. Mit dem kleinen Psy auf dem Kopf erinnerte er mich jetzt
irgendwie an einen Teletubbie. Er sah so niedlich aus, dass ich sofort wieder
den Drang verspürte ihn in die Arme zu schließen.
Erst gähnte er, dann öffnete er langsam die Augen. Blinzelnd sah er sich um.
Doch nichts was er sah, stimmte ihn positiv. Vor Wut kniff er die Augen so weit
zusammen, dass sich seine beiden Brauen fast berührten. Zornesröte stieg ihm
ins Gesicht, weil er noch immer keine vertraute Person sah und noch immer trug
er die alte, volle Windel. Er wich ein Stück zurück, als er in Cans tiefgrüne
Augen sah. Doch das Schlimmste war, dass nun auch noch sein Magen knurrte.
Jetzt suchten seine Blicke nach mir, denn er hatte zwar meine Stimme gehört,
mich aber nicht gesehen, da ihm Cans Leute die Sicht versperrten. Deshalb tat
er, was er immer tat, wenn ihm etwas nicht gefiel. Er schrie so laut, dass es
jedem im Umkreis von hundert Metern in den Ohren schrillte. Shane und Fara
hielten sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Ohren zu. Für Can war das
Geschrei ebenso unerträglich, deswegen setzte er Michi sofort zu Boden, um
sich mit beiden Händen die Ohren zuzuhalten. Da sich Cans Leute nun auf dem
Boden krümmten, hatte Michi freie Sicht. Als er uns erspähte, rannte er sofort los
und schnappte nach Luft, während er mit seinen kleinen Armen wild umher
wirbelte.
„Mama!“ rief er freudestrahlend, sprang in meine Arme und drückte seinen Körper
fest an mich. Dabei war es mir jetzt völlig egal, dass er mich Mama nannte. Ich
bombardierte ihn mit meinen Küssen, hielt ihn fest umschlossen und konnte gar
nicht mehr aufhören ihn zu
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