Ein Hauch Vanille (German Edition)
nicht übers Wochenende besuchen zu kommen. Was sie in ihrem Gefühl
natürlich nur noch bestärkte, dass ich nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte.
Es tat mir in der Seele weh, denn ich wollte sie sehr gerne wiedersehen, doch ich
tröstete mich mit dem Gedanken, dass uns ja genug Zeit blieb, wenn Shane und
ich in die Zwangspause gingen. Wenn es keine Portalpilze mehr geben würde. Im
Moment sah ich mich allerdings außerstande, für diese Zeit überhaupt Pläne zu
schmieden. An eine Zeit ohne Shane wollte ich nicht einmal denken und schob es
ganz weit weg. Doch nicht weit genug, denn dieses bedrückende Gefühl ließ mich
einfach nicht mehr los. Wie sollte ich die Monate ohne ihn nur überstehen? Ein
Winterschlaf wäre genau das Richtige gewesen. Mir wurde ganz flau im Magen und
ich fragte mich, ob Shane mich wohl ebenso sehr vermissen würde, wie ich ihn.
Selbstzweifel quälten mich wieder einmal, weil ich es immer noch nicht glauben
konnte: War ich wirklich diejenige, die er liebte?
Geburtstag
E
ndlich
klingelte es. Ich rannte, mit einer Hand am Geländer, laut knarrend die Treppe
zur Tür hinunter. Freudestrahlend betätigte ich den Türgriff und riss die
schwere Holztür auf. Doch mein Lächeln fror genauso schnell wieder ein, wie es erschienen
war.
„Ist Robert da?“ fragte sein Kumpel, dessen Namen ich nicht einmal kannte und
der mich in der Schule auch keines Blickes würdigte. Ich war noch immer von
seiner tiefen Stimme überrascht, als er jetzt ohne ein Wort des Grußes an mir
vorbei, nach Robert Ausschau hielt. In den Händen hielt er eine Flasche Mezcal.
Der Agavenschnaps mit Wurm war in diesem Jahr der Renner bei den Jungs. Jedes
Mal gab es ein furchtbares Geschrei um den Wurm, wobei es nicht darum ging wer
ihn essen musste, sondern wer ihn essen durfte.
Jungs sind so unkreativ , dachte ich, als ich die völlig unverpackte
Flasche ansah. Nicht einmal Geschenkband oder eine Schleife hatte er benutzt,
um sie ein wenig aufzuhübschen. Wahrscheinlich würde er das meiste davon sogar noch
selbst trinken.
„Oben“, antwortete ich genauso wortkarg und deutete nur leicht mit dem Kopf in
Richtung Treppe. Abermals lag dieser muffig, fiese Geruch im Haus, der aus den
Wänden auszudünsten schien, denn er kam einfach immer wieder. Als ich zurück in
mein Zimmer ging und dem Jungen ohne Namen auf der Treppe folgte, fragte ich
mich ob er den Geruch auch wahrnehmen würde. Kommentarlos bog er oben
angekommen links in Roberts Zimmer ab und schloss die Tür hinter sich. Ich
hörte lautes Grölen und wunderte mich darüber, mit welchen Leuten sich Robert
abgab. Kopfschüttelnd ging ich weiter und legte mich entspannt auf mein Bett.
Die helle Zimmertür starrte ich so lange an, bis sie sich zu bewegen begann.
Ich rieb mir die Augen und hörte sie jetzt sogar knarren. Vor Spannung hielt
ich den Atem an. Solange, bis Shanes Kopf mit einer langstieligen roten Rose im
Mund ins Zimmer spähte.
„Alles Liebe zum Geburtstag!“ rief er freudestrahlend.
„Shane! Endlich…“, schrie ich und sprang vom Bett direkt in seine Arme. Die
Beine klammerte ich fest um ihn und wir drehten uns einmal um die eigene Achse.
Dabei konnte ich ihn gar nicht oft genug küssen, um das auszudrücken, was ich
wirklich empfand. Mein Herz pochte so schnell, dass ich mit dem Atmen gar nicht
mehr hinterher kam. Endlich waren wir wieder eins, denn ohne ihn fühlte ich
mich genauso unvollständig und allein wie damals ohne Robert. Etwas
Vollkommeneres konnte es nicht geben.
„Alles Gute zum… Siebzehnten“, flüsterte er mit leiser Stimme und Betonung auf
der Zahl Siebzehn. Sein verheißungsvoller Blick verriet mir sofort, worauf er
hinaus wollte. Als könnte ich das vergessen! Ich hob die Augenbrauen,
schließlich dachte ich ja selbst ständig daran.
„Geschafft, Siebzehn!“ schmunzelte ich und atmete auf. Man konnte regelrecht
das Knistern im Raum hören, so gespannt war die Situation. Wie sollte es jetzt
weiter gehen? Wir hatten nie darüber gesprochen, was und ob überhaupt etwas an
meinem siebzehnten Geburtstag passieren sollte.
Dann hielt er mir ein kleines Fläschchen mit einer klaren, öligen Flüssigkeit
entgegen.
„Hier ist mein erstes Geschenk: Eine Lektion für deinen Stiefvater! Misch es
ihm einfach unter sein Essen…“, sorgenvoll legte ich die Stirn in Falten.
„Es bringt ihn
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