Ein Hauch von Kirschblüten
meinem
Zustand.“
Jan sah sie zweifelnd an. Ihr
Lächeln wurde noch breiter, ebenso das von Sören. Was für einen Zustand meinte
sie denn? Und dieses überschwängliche Grinsen ...
Jan entglitten die Gesichtszüge,
als er begriff. „Nein!“
„Doch!“, entgegnete sie mit
fröhlich funkelnden Augen.
Jan sprang so schnell vom Stuhl,
dass dieser nach hinten kippte. Er riss Katja in die Arme und drückte sie an
sich.
„Ich freu mich so für euch.“ Er
nahm ihr Gesicht in die Hände und drückte ihr einen dicken Schmatz auf die
Lippen. Hinter ihnen räusperte sich Sören. Jan wirbelte herum und nahm auch ihn
in die Arme. „Glückwunsch, Alter! Wann ist es denn soweit?“
„Ende Juli!“
„Und ich werde Patenonkel?“,
fragte Jan hoffnungsvoll.
„Na, was hast du denn gedacht?“
Jetzt konnte er eine einzelne
Träne nicht mehr zurückhalten. Zum Glück erging es Katja nicht anders, sonst
hätte er seinem Ruf als Heulsuse wieder mal alle Ehre gemacht. Doch auch Sören
sah ein paarmal verschämt zur Seite, während sie sich immer wieder im
Freudentaumel umarmten.
„Mann, ich kann es kaum glauben:
Die kleine Katja wird Mama!“
„Jetzt hol bloß nicht die alten
Kamellen raus.“
„Ich muss Sören doch vorwarnen,
was alles auf ihn zukommt, sollte es ein Mädchen werden.“
„Es wird aber ein Junge“,
entgegnete Katja entschieden.
„Das wisst ihr schon?“
„Nein“, lachte Sören. „Du kennst
die kleine Verrückte: Sie bildet sich ein, es zu spüren.“
„Ich bilde mir das nicht ein, ich
weiß es. Schließlich bin ich seine Mutter. Außerdem will ich kein Mädchen. Auf
das Rumgezicke kann ich gut verzichten.“
Sie lachten, fielen über das
Essen her und malten sich aus, was sie alles erleben würden.
„Ich bin auf jeden Fall der
Erste, der mit der Kleinen ins Theater und Ballett geht. Als Patenonkel habe
ich schließlich Verpflichtungen.“
„Es ist ein Junge! Und er geht
nicht ins Ballett.“
„Wieso, Hase?“ Jan gab seiner
Stimme einen äußerst unschuldigen Ton. „Hast du Angst, dass er schwul wird?“
„Ich habe Angst, dass es ihm
gefällt und er sich die Knochen ruiniert.“
„Ein Mädchen dürfte sich also die
Knochen kaputtmachen?“, wollte Sören wissen.
„Da sie wie ich wird, spielt sie
eh lieber Fußball.“
„Also doch kaputte Knochen“,
witzelte Jan. „Erinnerst du dich an Dirk Krüger?“
„Der war einfach zu blöd zum
Spielen.“
„Und wer ist Dirk Krüger?“,
fragte Sören.
So ging es den ganzen Abend. Am
Ende kamen sie zu dem Entschluss, dass der kleine Finn oder wahlweise auch
Lucas, auf keinen Fall Fußballer oder Balletttänzer werden würde. Ein Mädchen
stand für Katja nicht zur Diskussion, und daran hatte sich das Baby zu halten.
Jan lehnte sich schmunzelnd in seinem
Stuhl zurück und beobachtete Katja, die bis über beide Ohren strahlte. Es war
schön, sie so glücklich zu sehen.
Mensch, sie würde ein Baby
bekommen.
Vor ewigen Zeiten hatten sie
diesen Traum gemeinsam geträumt. Jan hatte sich gegen Kinder und gegen Katja
entschieden. Er bereute es nicht, hatte ja auch keine andere Wahl gehabt, doch
jetzt, in diesem Moment, überkam ihn Wehmut.
Er würde nie eine solche Familie
haben. Eigentlich war das nicht weiter schlimm, aber er würde auch nie die
bedingungslose Liebe eines Kindes erfahren. Kinderliebe war die reinste und
erhabenste, die man bekommen konnte. Sie erwartete nichts, verschenkte sich
verschwenderisch und ohne Berechnung. Kinder knüpften ihre Liebe nicht an
Bedingungen. Liebten sie, dann mit ganzem Herzen.
Warum war das als Erwachsener
nicht mehr möglich? Wann verlor man diese Fähigkeit? Warum konnte Jan Tom nicht
einfach so lieben, wie er war, und versuchte stattdessen, ihn umzuformen?
„Jan?“
„He? Ja? Äh, was ist?“
„Was hast du?“
„Was soll sein? Alles in Ordnung!“
Katja beugte sich zu ihm und
berührte seine Wange. „Und warum weinst du dann?“
Tatsächlich waren ihre Finger
feucht, als sie sie zurückzog.
Jan versuchte ein Schmunzeln.
„Freudentränen.“
Es hätte des unwirschen Lautes
nicht bedurft. Katjas Gesichtszüge sprachen Bände.
„Ich weiß schon eine Weile, dass
du mir nicht mehr alles erzählst, aber dass du mich jetzt auch noch offen
belügst, bringt das Fass zum überlaufen. Raus mit der Sprache: Warum weinst
du?“
Krampfhaft suchte er nach einer
Notlüge, doch ihm fiel nichts ein. Außerdem kannte ihn Katja viel zu gut, um
jedes Flunkern als solches zu
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