Ein Hauch von Kirschblüten
entlarven.
„Ich habe überlegt, warum bloß
Kinder so vorbehaltlos lieben können und wann wir diese Fähigkeit verlieren.
Das ist alles.“
Katja griff nach seiner Hand,
doch Jan entzog sie ihr. Ihre Nähe jetzt zu spüren, würde ihm erneut Tränen in
die Augen treiben und er hatte sie gerade erfolgreich verdrängt. Das Mitgefühl
in ihren Augen war schon schwer genug zu ertragen.
„Er liebt dich, Jan. Du musst ihm
einfach noch ein bisschen Zeit geben.“
Zeit! Tom würde sich bis in alle
Ewigkeit Zeit lassen. Er hatte ja auch gar keinen Grund, etwas zu ändern. Tom
pfiff und er sprang, vorausgesetzt, er hatte keinen Dienst.
„Du kennst ihn ja nicht einmal.
Woher willst du wissen, dass er mich liebt?“, presste Jan plötzlich zwischen
zusammengebissen Zähnen hervor. Seine Stimme klang gereizt. Es tat ihm leid.
Katja konnte am wenigsten etwas für seine Gefühlslage.
Statt auf die bissigen Worte zu
antworten, stand Katja auf. Ein paar Minuten später kam sie mit zwei
Zeitschriften zurück und knallte sie vor Jan auf den Tisch.
„Dieses Foto wurde vor einem
halben Jahr aufgenommen. Das hier ist von letzter Woche. Ich hoffe, du erkennst
den Unterschied. Und lies das Interview. Es ist sehr aufschlussreich.“ Katjas
schnippischer Tonfall versetzte Jan einen zusätzlichen Stich.
Etwas unsicher nahm er die beiden
Hefte zur Hand. Der Gegensatz war unverkennbar. Auf dem älteren Foto sah ein
kühler, reservierter Mann in die Kamera, dessen Augen völlig emotionslos
wirkten. Auf dem anderen Bild lächelte Tom. Die blauen Augen leuchteten wie
Sterne. Wer ihn nicht kannte, würde denken, dass man das Foto retuschiert
hatte.
Das Interview war in München in einer
Hotellobby aufgenommen worden. Tom hatte ihm davon erzählt. Er war wegen der
Eröffnung eines Architekturbüros dort gewesen. Volker Richter hatte den Auftrag
abgelehnt – zu klein und damit unlukrativ. Da Tom den Architekten jedoch aus
seiner Oxford-Zeit kannte und er einer der wenigen Menschen war, die er
wirklich mochte, hatte er die gesamte Homepagegestaltung nebenbei erledigt, die
Einrichtung der Büroräume beaufsichtigt und natürlich die Eröffnungsfeier
organisiert – und das allein. Nächtelang hatte Jan das Klappern der Tasten
neben sich beim Schlafen gehört. Tom schlief sehr wenig, und wenn, dann
unruhig. Auch hatte er oft Kopfschmerzen, was Jan bei dem Schlafdefizit
nachvollziehen konnte. Manchmal fragte er sich, warum Tom nicht aus der Company
ausstieg und eine eigene Firma gründete. Dann könnte sich die VRC um ihre
Großkunden kümmern und Tom würde denen helfen, die es wirklich nötig hatten.
Mehr Zeit füreinander hätten sie dann allerdings auch nicht.
Er verdrängte den Gedanken und
begann zu lesen.
Die Journalistin schwärmte in den
höchsten Tönen von dem freundlichen und attraktiven Thomas Richter, der
lächelnd und natürlich umwerfend gekleidet ihr gegenübersaß.
Diana: Ich hoffe, ich bin nicht
indiskret, aber man sieht Ihnen auf den ersten Blick an, dass Sie glücklich
sind. Darf man fragen, wer die Frau an Ihrer Seite ist?“
Thomas Richter: (lacht) Der
Gentleman genießt und schweigt.
Diana: Also ist es wahr:
Deutschlands begehrtester Junggeselle ist nicht mehr zu haben?
Thomas Richter: (lacht erneut) Da
Sie ja doch keine Ruhe geben werden: Ja! Ich habe mein Herz an einen
wunderbaren Menschen verloren. Und nein, ich werde keine Einzelheiten
preisgeben. Sie wissen, ich halte mich, was mein Privatleben angeht, sehr
bedeckt. Das wird sich nicht ändern.
Diana: Schade! Unsere Leserinnen
würden bestimmt gern erfahren, wann es eine Traumhochzeit geben wird ...
Thomas Richter: (schweigt und
lächelt umwerfend)
Diana: Herr Richter, Sie sind
einer der erfolgreichsten Werbemanager der Welt. Wie ...
Jan hörte auf zu lesen. Soweit
kannte er Tom, dass er wusste, es würde kein privates Wort mehr über dessen
Lippen kommen. Sein Herz raste und die Hände waren feucht. Er hatte Tom unrecht
getan.
Sicher war Jan nicht entgangen,
dass dieser das Geschlecht des wunderbaren Menschen nicht erwähnt hatte, doch
das konnte auch keiner verlangen. Nicht einmal er. Thomas Richter hatte es in
diesem Interview eindeutig klargestellt – sein Privatleben ging niemanden etwas
an.
Jan wurde bewusst, dass Tom nicht
bloß sich selbst schützte, sondern ebenso ihn. Auch er hatte wenig Lust, von
der Presse durch den Kakao gezogen zu werden.
Plötzlich fragte sich Jan, warum
es ihm so wichtig war, dass Tom sich outete. Spielte es denn
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