Ein Hauch von Kirschblüten
Tom in den Arm, mit Tränen in den Augen und einem leisen
Schluchzen. Sie schien vor Rührung keinen Ton herauszubringen.
„Sie müssen entschuldigen, Herr
Richter, aber dass Sie es geschafft haben, herzukommen, rettet uns das
Weihnachtsfest. Jan ist kaum zu ertragen.“ Zur Bekräftigung seiner Worte
klopfte Jans Vater ihm auch noch freundschaftlich auf die Schulter.
Tom schluckte trocken. Mit so
einem Empfang hatte er nicht gerechnet. Meistens begegneten ihm die Menschen
distanziert und abwartend, nicht so herzlich. Außerdem war er der Freund ihres
Sohnes. Für Tom eine absolute Ausnahmesituation. Auf einen Schlag standen ihm
gleich vier Menschen gegenüber, die wussten, dass er schwul war. Nicht nur,
dass sie es akzeptierten, es schien sie nicht im Geringsten zu stören. Keine
Abscheu war ihnen anzumerken. Sie schienen sich aufrichtig über seine
Anwesenheit zu freuen. Tom schluckte noch einmal. Ihm war ganz komisch.
Jans Mutter ließ ihn endlich los,
trat einen Schritt zurück und sah in erstaunt an. „Ist alles in Ordnung? Sie
zittern ja.“
Hinter Rosalie stand Katja und
grinste frech. Tom sah in ihren Augen, dass sie ahnte, was in ihm vorging. Die
Rührung schnürte ihm sprichwörtlich die Kehle zu. Er konnte nicht sprechen.
„Es ist ja auch saukalt draußen“,
kam sie ihm zu Hilfe. „Da darf man schon mal bibbern. Wo treibt sich eigentlich
Jan rum? Schließlich ist Tom sein Gast.“
Das interessierte Tom nun auch
brennend. Er schenkte Katja ein dankbares Lächeln und sah dann wieder zu
Rosalie und Jans Vater.
„Den habe ich mit dem Hund
rausgeschickt.“
„Bei dem Wetter“, entschlüpfte es
Tom. Ein eisiger Wind fegte ums Haus und es schneite nach wie vor.
„Das hätten Sie auch getan. Seine
Mundwinkel schliffen schon auf dem Boden. Das konnte ich mir nicht mehr mit
ansehen. Kommt endlich rein. Wir müssen ja nicht im Flur auf ihn warten.“
„Ich müsste noch meine Tasche aus
dem Wagen holen.“
„Das machen wir nachher. Jetzt
will ich erstmal wissen, wie Sie es geschafft haben, bei dem Sauwetter nach
Haffkrug zu kommen.“
Tom folgte Herrn Burg ins
Wohnzimmer. Es war recht geräumig und sehr gemütlich. Im Kamin prasselte ein
Feuer. Mittig der Fensterfront stand ein Weihnachtsbaum, über und über mit Holzfiguren
geschmückt. Ebenso wie Jan schienen seine Eltern nichts von überflüssigem
Schnickschnack zu halten. Eine Ledercouch mit zwei gemütlichen Sesseln
dominierte den Raum. Gegenüber befand sich der Fernseher, an den Wänden hingen
Bilder. Tom erkannte auf einigen von ihnen Jan und ging hinüber.
„Er war ein süßes Kind, nicht
wahr?“
„Das ist er jetzt ...“ Tom
biss sich auf die Zunge und starrte Rosalie entsetzt an. Sie lachte und legte
ihre Hand auf seinen Arm.
„Freut mich, dass Sie das so
sehen.“
Tom bekam doch tatsächlich rote
Ohren. Wo blieb Jan? Er fühlte sich in all der Herzlichkeit unsicher. Ein
Gefühl, welches er nicht sonderlich schätzte.
„Was möchten Sie trinken, Herr
Richter? Ach, ich weiß schon. Das ist genau der richtige Anlass, um diesen
Tropfen zu genießen. Sie mögen doch Whiskey, oder?“
„Ja! Danke!“
„Nun erzähl schon – wie bist du
hergekommen?“, fragte Katja ungeduldig.
„Er ist mit dem Jeep gefahren,
das sagte er doch schon“, entgegnete Sören. Katja streckte ihm die Zunge raus
und kassierte dafür einen Kuss und einen liebevollen Schlag auf den Hintern.
Die beiden waren niedlich.
Tom stand in der Nähe des Kamins
und genoss die Wärme. Katja und Sören saßen auf der Couch und Herr Burg goss
den Whiskey in vier Gläser. Irgendwie fühlte sich diese ganze Situation surreal
an. Diese Menschen kannte er seit kaum einer Viertelstunde und doch fühlte er
sich bei ihnen daheim.
Rosalie ergriff zwei Gläser und
reichte eines davon an ihn weiter. Sie hatte ein warmes Lächeln auf den Lippen.
Tom hatte sie bereits ins Herz geschlossen.
Herr Burg stellte sich in die
Mitte der illustren Gesellschaft und hob das Glas.
„So, dann wollen wir mal. Ich bin
Harald und das ist meine Rosalie.“ Er legte einen Arm um die Schulter seiner
Frau. „Herzlich willkommen in unserer kleinen verrückten Familie. Wir freuen
uns, dass du da bist, Tom. Und frohe Weihnachten!“
„Danke“, brachte Tom stockend
über die Lippen. Jetzt war es schier unmöglich, das feuchte Glitzern in den
Augen zu verbergen. Schon wieder lag er in Rosalies Armen. Sie drückte ihn fest
an sich und schniefte. Harald umarmte ihn ebenfalls kurz. Sören
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